11.03.2020

Schonende Weltpremiere

Zum ersten Mal wurde am DHZB bei einem Kind ein neuer Schirm zum Verschluss von Defekten der Herzvorhof-Scheidewand eingesetzt. Das System kommt ohne Metall aus und hat stattdessen ein Gerüst, das vom Körper abgebaut wird.

Patientin Paula, Mutter Maren und Professor Stephan Schubert

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Der Atriumseptumdefekt (ASD), also ein „Loch“ in der Scheidewand zwischen den beiden Vorhöfen des Herzens, gehört zu den häufigsten angeborenen Herzfehlern. Er führt zu einer Vermischung von sauerstoffreichem Blut aus dem linken Vorhof mit sauerstoffarmem Blut aus dem rechten Vorhof des Herzens und damit – je nach Größe – zu einer Vergrößerung des Herzens und Verminderung der Herzleistung.  Außerdem erhöht ein Loch in der Herzscheidewand das Risiko, dass Gerinnsel in das linke Herz übertreten und zu Schlaganfällen führen können.

Der Verschluss eines ASD wird meist minimalinvasiv durchgeführt: Über einen
Katheter wird dabei ein sogenannter Okkluder durch die Blutgefäße bis ins Herz vorgeschoben. Er besteht aus zwei miteinander verbundenen Schirmen, die auf beiden Seiten des Defekts aufgespannt und dauerhaft an der Vorhofwand verankert werden. Dieser Eingriff ist am DHZB seit Jahrzehnten Routine, wurde bei mehr als 3000 Patienten durchgeführt und verläuft fast immer komplikationslos.

Bisher bestehen die Okkluder oder zumindest ihr Gerüst allerdings aus einer speziellen Metalllegierung. Auch wenn sie nach und nach ins Herzgewebe einwachsen,
kann das Metall zu sehr seltenen Komplikationen wie Allergien, Verletzungen im Herzen, Herzrhythmusstörungen oder der Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) führen.

Die Implantation eines Metall-Okkluders macht es außerdem nahezu unmöglich, danach mit einem Herzkatheter durch die Scheidewand auf die linke Seite des Herzens zu gelangen, was die zukünftige Behandlungsmöglichkeiten für die Patienten einschränkt.

Prof. Dr. Stephan Schubert, Oberarzt und Leiter des Herzkatheterlabors an der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB), hat nun erstmals bei einem Kind einen Okkluder eingesetzt, dessen Gerüst aus vollständig abbaubarem Material (Polylactid) besteht. Nach etwa ein bis zwei Jahren, wenn der Okkluder längst vollständig eingeheilt ist (in der Regel nach spätestens sechs Monaten) wird sich das Material restlos aufgelöst haben. In der Herzscheidewand bleiben dann nur die beiden hauchdünnen Kunststoffscheiben aus weichem Teflon zurück.

Ein weiterer Vorteil des neuen Okkluders: Er ist deutlich flacher als bisherige Systeme, passt sich der Oberfläche der Herzscheidewand also noch besser an.

Der europaweiten Zulassung des Schweizer Produkts waren u.a. umfassende Studien bei erwachsenen Patienten vorausgegangen, die den sicheren Einsatz des neuen Materials garantieren. Wie sich der Okkluder langfristig bewährt, wird nun anhand eines Patientenregisters ausgewertet, an dem mehrere europäische Kliniken teilnehmen, die dem DHZB mit dem Einsatz des Okkluders nachfolgen werden.

„Wir freuen uns, diese besonders schonende Innovation anbieten zu können“, sagt Prof. Stephan Schubert. „Wir werden aus verschiedenen medizinischen Gründen zwar weiterhin auch die bisher etablierten Systeme verwenden, aber nun steht uns eine weitere sinnvolle Möglichkeit zur Verfügung, um Patientinnen und Patienten jeden Alters mit dem individuell bestgeeigneten  Verschlusssystem behandeln zu können.“
 
Der Kinderkardiologe hat die Eigenschaften der unterschiedlichen Systeme mit den Eltern der dreijährigen Paula aus Mecklenburg-Vorpommern genau vor dem Eingriff besprochen, ehe diese sich für den neuen Okkluder entschieden haben.

Der Eingriff verlief völlig komplikationslos. Paula war kurze Zeit später wieder völlig fit und konnte am Folgetag entlassen werden.

 

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