20.05.2021

Motoren für die Lebensqualität

Als erstes Herzzentrum weltweit testet das DHZB den Einsatz eines „Roboter-Anzugs“ als Therapiemöglichkeit für Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz.

Myosuit-Patient Thomas J. mit (v.l.) PJ-Student Mark Viktor Füzesi und den Ärzt*innen Dr. Isabell Just-Lauer, PD Dr. med. Felix Schönrath, Prof. Dr. med. Volkmar Falk (Ärztlicher Direktor des DHZB) und Denis Fries.

0

In Deutschland leiden geschätzt rund 1,8 Millionen Menschen unter chronischer Herzinsuffizienz, über 300.000 Menschen erkranken jährlich neu. Die Herzinsuffizienz zählt zu den häufigsten Todesursachen.

Es ist wissenschaftlich gesichert, dass regelmäßiges Training den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflusst, das Wohlbefinden der Patient*innen steigert und die Wahrscheinlichkeit einer stationären Aufnahme ins Krankenhaus senkt.

Zugleich leiden Herzinsuffizienz-Patient*innen unter Atembeschwerden und Erschöpfung. Körperliche Aktivität fällt diesen Menschen zunehmend schwerer. Damit kommt es zu Muskelschwund, weiterem Verlust der Belastbarkeit und häufig zur Gewichtszunahme. Die Folge dieser Faktoren ist ein Fortschreiten der Herzinsuffizienz, bis hin zum Herzversagen.

Diesen Teufelskreis wollen Mediziner*innen am Deutschen Herzzentrum Berlin jetzt mit Hilfe eines „Roboter-Anzugs“ durchbrechen; als erstes Herzzentrum weltweit.

Der „Myosuit“ wird über der normalen Kleidung an der Hüfte und den Beinen angelegt. In einem kleinen Rucksack untergebrachte Elektromotoren unterstützen über Seilzüge und passive Elemente die Beugung und Streckung des Hüftgelenks sowie der Kniegelenke und unterstützen damit die Muskelarbeit. Die Intensität und Abfolge der elektrischen Unterstützung wird mithilfe von Bewegungssensoren am Rumpf und den Beinen gesteuert.

Aufstehen und Hinsetzen, Gehen und Treppensteigen werden für die Patient*innen damit deutlich erleichtert. Mehr Ausdauer durch elektrische Verstärkung der Muskelarbeit – in dieser Hinsicht ähnelt das Prinzip des Myosuit der Funktionsweise eines E-Bikes.

Der Myosuit wurde in der Schweiz zunächst für Patient*innen mit Muskel- oder Nervenerkrankungen entwickelt und bereits in mehreren hundert Trainingseinheiten an über 50 Patient*innen auf seine Sicherheit und Effektivität geprüft.

PD Dr. med. Felix Schönrath, kardiologischer Leiter des Programms für Herzinsuffizienz und Herztransplantation am DHZB, will mit seinen Kolleg*innen Dr. Isabell Just-Lauer und Denis Fries im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zunächst prüfen, ob und wie der Einsatz des Myosuit bei Patient*innen mit fortgeschrittenen kardiopulmonalen Erkrankungen praktisch und sicher durchgeführt werden kann.

Anschließend planen die Mediziner*innen eine prospektive Studie mit schwer herzinsuffizienten Patient*innen. Dabei werden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einem Trainingsprogramm mit dem Myosuit oder einem herkömmlichen ambulanten Physiotherapie-Programm zugeordnet und nach zwei Monaten auf ihre körperliche Fitness hin untersucht.

„Wir erhoffen uns vom Einsatz des Myosuit nicht nur einen positiven Einfluss auf den Verlauf der chronischen Herzinsuffizienz im engeren Sinn, sondern auch eine allgemeine Steigerung der Lebensqualität durch mehr Mobilität und damit sozialer Aktivität“, sagt Felix Schönrath.

Das Projekt ist eine Kooperation der Teams von Prof. Dr. med. Volkmar Falk, Ärztlicher Direktor des DHZB, und Prof. Dr. Robert Riener, Professor für Sensomotorische Systeme an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.

Für unser Video hat Thomas J. den Myosuit getestet. 2012 wurde bei ihm die Autoimmunkrankheit Sarkoidose (Morbus Boeck) diagnostiziert. Die entzündliche Erkrankung befiel auch sein Herz und führte zu einer Linksherzinsuffizienz.

Seit September 2020 ist Thomas J. als Patient im DHZB in Behandlung.

Bei seinem letzten Kontrolltermin im DHZB hat Thomas J. den Myosuit getestet. Herzlichen Dank, dass wir mit der Kamera dabei sein durften.

zurück