19.10.2016

„Ans Aufgeben habe ich nie gedacht“

Ein Team der Charité und des DHZB hat Sarah Schönhoff in einer 19stündigen Operation Lunge und Leber eines Organspenders eingesetzt. Jetzt wurde sie nach Hause entlassen.

Sarah Schönhoff (mitte), zusammen mit Pflegekräften und Ärzten des DHZB und der Charité

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Schon im Kleinkindalter leidet Sarah Schönhoff aus Mirow in Mecklenburg häufig unter schwerer Bronchitis, doch erst kurz vor Sarahs viertem Geburtstag bekommen ihre Eltern endlich Klarheit: Sarah leidet unter Mukoviszidose, einer angeborenen und unheilbaren Stoffwechselerkrankung, die Körpersekrete zähflüssig macht. Betroffen sind davon in den meisten Fällen vor allem die Lungen der Patienten: Sie verkleben und sind extrem anfällig für Infektionen, die Atmung wird immer mehr behindert.

Sarah Schönhoff lernt, mit der Krankheit zu leben. „Tägliche Inhalationen, Atemtraining, das hat einfach zum normalen Leben für mich dazugehört“, sagt sie. Obwohl sie immer wieder ins Krankenhaus muss, schafft sie mühelos die mittlere Reife - als Jahrgangsbeste. Sarah Schönhoff macht eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Bundespolizei, wird übernommen und arbeitet ab 2010 in Potsdam.    

Ein Jahr lang geht alles gut, doch dann macht sich die Krankheit immer deutlicher bemerkbar. Sarah Schönhoff reduziert ihre Arbeitszeit, nach einer schweren Pilzinfektion wird sie dauerhaft krank geschrieben und im August 2013 berentet. „Als Mukoviszidose-Patientin weißt du, dass es irgendwann soweit kommen kann“, sagt sie, „aber dass es bei mir schon so früh passiert, das war schon bitter. Denn der Job hat mir großen Spaß gemacht“.  

Sarah Schönhoff zieht zurück in ihre Heimatstadt Mirow, in die Nähe ihrer Eltern. Etwa anderthalb Jahre geht es ihr noch vergleichsweise gut. Doch dann erkrankt sie an Grippe und wird Mitte März 2015 stationär im Virchow-Klinikum der Berliner Charité aufgenommen, wo sie seit bereits Jahren behandelt wird. Am 26.3. kommt sie auf die Warteliste für eine Doppel-Transplantation. Denn die Mukoviszidose hat nicht nur die Lunge, sondern auch ihre Leber irreparabel beschädigt. 

Anfang Dezember verschlechtert sich Sarahs Schönhoffs Zustand dramatisch. Sie muss an eine Maschine angeschlossen werden, die die Atemfunktion der Lunge ersetzt. Es wird zu einer Frage von Tagen, ob Sarah Schönhoff durch eine Transplantation noch gerettet werden kann. 

Am 15. Dezember kommt der Anruf der Eurotransplant-Zentrale in Holland: Es gibt passende Organe. „Mein größter Wunsch war es, dass ich noch vor Weihnachten transplantiert werde“, sagt sie, „und vielleicht hat das ja doch jemand gehört“.

Sarah Schönhoff wird ins Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) gebracht, wo Herzen und Lungen transplantiert werden können. Eine kombinierte Transplantation von Lunge und Leber wurde in den vergangenen zehn Jahren bundesweit nur 14 Mal durchgeführt. Den Ärzten ist bewusst, dass die OP angesichts von Sarahs Zustand besonders riskant wird. Doch es ist die einzige Chance für die Patientin.

{bild_links}Am 16. Dezember um 4 Uhr morgens beginnt das OP-Team von DHZB-Oberarzt Dr. Christoph Knosalla mit dem Eingriff und ersetzt Sarah Schönhoffs zerstörte Lunge durch das Spenderorgan. Anschließend kommt Dr. Robert Öllinger vom Virchow-Klinikum mit seinen Kollegen in den DHZB-OP. Der leitende Oberarzt für Transplantationschirurgie setzt Sarah die neue Leber ein.

Insgesamt dauert die Operation 19 Stunden. Sie ist geglückt. Aber gerettet ist Sarah Schönhoff damit noch nicht: „Von der Arbeit des Teams auf der Intensivstation hängt für den Patienten ebenso viel ab vom Erfolg des Eingriffs selbst. Wir wussten, dass die ersten Tage und Wochen kritisch werden können“, sagt DHZB-Chirurg Christoph Knosalla.

Gemeinsam mit Ärzten, Pflegekräften, Physiotherapeuten und Psychologen macht sich Sarah Schönhoff nun auf den mühsamen Weg zurück ins Leben. Weil sie vor der Transplantation kaum noch atmen konnte, ist ihre Atemmuskulatur ebenso zurückgebildet wie die Muskeln ihrer Beine. Und sie muss lernen, der neuen Lunge zu vertrauen.

Immer wieder kommt es zu schweren Komplikationen.  Immer wieder muss Sarah Schönhoff zurück auf die Intensivstation. Und immer wieder gibt es Momente der Niedergeschlagenheit und der Enttäuschung. „Aber ans Aufgeben habe ich nie gedacht“, sagt Sarah, „weder vor noch nach der Transplantation“.

An den unbekannten Spender ihrer Lunge und ihrer Leber dagegen denkt Sarah oft. „Ich weiß nicht ob es ein Mann war oder eine Frau, ich weiß nicht, wo und wie dieser Mensch gelebt hat. Aber ich weiß, dass er mir seine Organe gespendet und mir damit das Leben gerettet hat.“

Nach 587 Tagen im Krankenhaus ist Sarah Schönhoff nun aus dem Deutschen Herzzentrum Berlin entlassen worden. Ihre Mutter hat sie abgeholt: mit Sarahs eigenem Seat Ibiza. „Autofahren, wieder selber kochen können, wieder im eigenen Bett schlafen, ich kann es noch kaum glauben“, sagt sie.

Sarah Schönhoff weiß: Die Transplantation hat sie nicht von ihrer angeborenen Erkrankung geheilt. Sie ist sich auch bewusst, dass es immer wieder Rückschläge geben kann. Doch dran will sie jetzt nicht denken. Sondern einfach nur ihr neues Leben genießen.

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