04.08.2017

„Kleine Herzen benötigen größte Hingabe“

Vor 5 Jahren, im August 2012, wurde am DHZB eine eigenständige Klinik für die Chirurgie der angeborenen Herzfehler eingerichtet. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Klinikdirektor Joachim Photiadis zieht Bilanz. Und blickt nach vorn.

"Da weiter gehen, wo andere schon aufgegeben haben": Professor Joachim Photiadis, Direktor der Klinik für die Chirurgie der angeborenen Herzfehler

0

Es ist die erste eigenständige und vollumfängliche Klinik für Chirurgie Angeborener Herzfehler – Kinderherzchirurgie in Deutschland, die im August 2012 mit Dr. Joachim Photiadis als Chefarzt und Klinikleiter am Deutschen Herzzentrum Berlin gegründet wurde. Seither werden hier alle denkbaren Korrektur- und Palliativ-Operationen angeborener Herzfehler sowohl bei Neugeborenen als auch bei Erwachsenen durchgeführt, inklusive Kunstherztherapien und Herztransplantationen. Dabei ist es Dr. Joachim Photiadis ein besonderes Anliegen, sich insbesondere um diejenigen Patienten zu kümmern, denen andernorts keine Therapie angeboten werden kann: „Unser Team hat sich zur Aufgabe gemacht, da weiter zu gehen, wo andere schon aufgegeben haben. Dass dieser Weg kein Spaziergang sein kann, ist jedem klar. Man muss ihn mit aller Kraft und zusammen gehen, ihn zu seiner Sache machen - eine gute Behandlung ist deshalb meiner festen Überzeugung nach auch immer sehr persönlich.“

Fakten, die für sich sprechen

2016 wurden an der Klinik 965 Operationen durchgeführt, darunter 485 unter Einsatz einer Herzlungenmaschine. 205 Patienten waren nicht einmal 28 Tage alt, 367 jünger als ein Jahr. Mit dieser Vielzahl an anspruchsvollen Operationen nimmt die Klinik im bundesweiten Vergleich eine führende Position ein. Gleichzeitig hat die Klinik innerhalb von fünf Jahren ihre Patientenzahl um rund ein Drittel erhöht und die Sterblichkeit ihrer Patienten auf 2,4% gesenkt. Damit liegt die Klinik weit unter dem europäischen und weltweiten Durchschnitt.

Spitzenleistung ist nur mit einem hervorragenden Team möglich, das zum Wohle der Patienten unter höchster Konzentration vor, in und nach mehrstündigen Operationen alles gibt. So gehören derzeit die zwei Oberärzte, Mi-Young Cho und Dr. Peter Murin, ebenso zum Spitzenteam wie vier Assistenzärzte in Ausbildung, sechs Kinder-Anästhesisten, vier Kardiotechniker und 8 OP-Pflegende. 

"Darüber hinaus ist die kontinuierliche enge Zusammenarbeit mit unseren kinderkardiologischen Kollegen für unseren Erfolg unabdingbar", so Professor Photiadis. 

Professur als Auszeichnung und Förderung von Forschung und Lehre

Im Oktober 2016 wurde Dr. Joachim Photiadis, zum Professor für Kinderherzchirurgie der Charité berufen. 

Der promovierte Mediziner absolvierte bereits in den neunziger Jahren seine Facharztausbildung zum Herzchirurgen am Deutschen Herzzentrum Berlin unter der Leitung von Professor Roland Hetzer. Nach Forschungsaufenthalten in Philadelphia und London wechselte er in das Deutsche Kinderherzzentrum Sankt Augustin in Bonn, wo er zuletzt als leitender Oberarzt tätig war und mit seinen Forschungsarbeit ganz wesentlich dazu beitrug, dass sich Sankt Augustin als Zentrum für die Behandlung des hypoplastischen Linksherzsyndroms in Deutschland etablierte. 2012 kehrte er als Direktor der Klinik für Chirurgie Angeborener Herzfehler – Kinderherzchirurgie an das Deutsche Herzzentrum Berlin zurück. 

Joachim Photiadis: „Ich freue mich sehr über die Professur - nicht nur als persönliche Auszeichnung meiner Arbeit, sondern auch als Anerkennung meines Fachgebiets. Der Auftrag für Forschung und Lehre ermöglicht uns, unsere Kompetenz in der Kinderherzchirurgie weiter fortzuentwickeln und an den medizinischen Nachwuchs weiterzugeben.“

Faszination Kinderherzchirurgie

Den Kinderherzchirurgen fasziniert seit jeher an der Medizin, wie das sehr komplexe System des menschlichen Körpers im Detail funktioniert und warum es manchmal zu Funktionsstörungen kommt.  Joachim Photiadis begeistert die Aufgabe, sich Strategien zu überlegen, wie diese Fehler im System behoben werden können und damit ein Richtungswechsel hin zur Gesundheit eingeleitet werden kann: „Im Prinzip ist unsere Arbeit detektivisch. Unsere Aufgabe ist es, akribisch nach Fehlerquellen und Lösungen zu suchen. Dafür müssen wir auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Kollegen weltweit stets im Blick zu haben und diese in unsere tägliche Arbeit einbringen. Ebenso ist es unsere Aufgabe, unser Wissen weiterzugeben.“

Für die Kinderchirurgie schlägt sein Herz besonders, weil die Lebensenergie der jungen Geschöpfe den Herzchirurgen ermöglicht, Fehlbildungen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt zu korrigieren, noch bevor der Körper schwer belastet wird, so dass die Ärzte den kleinen Patienten oftmals ein beschwerdefreies Leben ermöglichen können. 

Zusätzlich bereitet dem leidenschaftlichen Mediziner auch die Teamarbeit mit den Eltern viel Freude: „Wenn ich den Eltern die Herzfehler ihrer kleinen Lieblinge genau erkläre und unsere Lösungsmöglichkeiten aufzeige, kann ich täglich viele Sorgen nehmen und Hoffnung schenken. Wir begreifen uns als Team und gehen den Weg gemeinsam und in gegenseitigem Vertrauen. Auch wenn es Schwierigkeiten gibt. Und auch dann, wenn wir trotz aller unserer Bemühungen und Fähigkeiten ein Kind nicht retten konnten." 

Mehr Zeit und Geld für neue medizinische Erkenntnisse

Die Professur ermöglicht es Joachim Photiadis, sein Expertenwissen zur Behandlung des komplizierten <link internal-link>Hypoplastischen Linksherzsyndroms (HLHS) zu erweitern und Menschen mit diesem schweren angeborenen Herzfehler noch mehr Hoffnung auf mehr Leben zu schenken. Dank seiner Optimierung der hierfür benötigten Norwood-Operation konnte der Herzchirurg bereits die Sterblichkeit von 30 Prozent auf 5-10 Prozent reduzieren, so dass Neugeborene mit diesem Syndrom nun bis zur Volljährigkeit überleben. Doch wie kann das Leben dieser Menschen im Erwachsenalter verbessert und verlängert werden? 

Joachim Photiadis: „Um diese Frage zu klären, müssten wir beispielsweise Tiermodelle für die Fontan-Operation zur Kreislauftrennung entwickeln. Offene Fragen in diesem Zusammenhang sind: Welche weiteren Interventionsmöglichkeiten gibt es? Wir wirken Medikamente? Welche Auswirkungen hat welche Therapie? Zudem ist eine erweiterte klinische Forschung nötig: Wie geht es HLHS-Patienten Jahre später? Wieso geht es einigen sehr gut, anderen jedoch sehr schlecht?“ All diesen Fragen kann sich das Team unter der Leitung von Professor Photiadis dank der Professur nun zeitintensiver widmen.

Talentierter Nachwuchs dringend gesucht

Der passionierte Kinderherzchirurg freut sich aber auch auf die Weitergabe seines Wissens an die Studenten, verbunden mit der Hoffnung, hier neue begeisterte Talente für die Ausbildung zu Kinderherzchirurgen zu finden. 

Gesucht werden ambitionierte junge Menschen, die sich dafür begeistern, Menschen mithilfe von korrigierenden Operationen zu heilen. Hierfür ist zunächst ein langer Ausbildungsweg von rund zehn Jahren nötig und anschließend auch auf dem beruflichen Weg die verbindliche Bereitschaft, bestehen zu wollen.

Joachim Photiadis: „Unser Fachgebiet ist kein leichtes: Es gibt unzählige einzeln oder doppelt auftretende Herzfehler, so dass wenig Standardisierung möglich ist. So bringt nahezu jede Operation immer wieder neue Entdeckungen hervor, die es nicht selten nötig machen, die zuvor überdachte Behandlungsstrategie während der OP zu ändern. Die Folge sind oft stundenlange Operationen, die nicht nur höchste Konzentration erfordern, sondern auch physische und psychische Stärke. Darüber hinaus ist eine erhöhte Flexibilität des Privatlebens nötig, da wir 7 Tage lang 24 Stunden im Einsatz sind und entsprechend in Schichten bzw. Rufbereitschaft arbeiten. Deshalb suchen wir Talente, die zur Hingabe bereit sind. Auf diese wartet ein spannender Beruf, mit dem man junges Menschenleben retten kann und hierfür ganz viel Dankbarkeit erhält.“

zurück