20.02.2017

„Jedes Menschenleben zählt“

Interview mit DHZB-Oberarzt Stephan Schubert über eine Hilfsmission in Tansania

(v.r.:) Prof. Felix Berger, Dr. Stephan Schubert und ihr Kollege Dr. Godwin Godfrey aus Dar es Salaam

0

Drei Tage lang waren Prof. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler am DHZB, Oberarzt Stephan Schubert und die beiden Krankenschwestern Susanne Barnebeck und Anke Skupch in Tansania, um herzkranke Kinder zu behandeln. Der Besuch ist Teil eines langfristigen Projekts zum Aufbau einer eigenständigen Kinderkardiologie in dem ostafrikanischen Land. Im Interview schildert Dr. Stephan Schubert die Hintergründe.

Dr. Schubert, Sie waren Teil eines 20köpfigen Teams aus Israel und Berlin, das in Dar es Salaam, der größten Stadt Tansanias, herzkranke Kinder behandelt hat. Wie kam es zu dieser internationalen Zusammenarbeit?



Initiator der Hilfsmission war Dr. Sagi Assa. Der Kinderkardiologe aus Tel Aviv wurde 2 Jahre lang an unserer Klinik dafür ausgebildet, Eingriffe mit dem Herzkatheter durchzuführen. Dr. Assa ist für „Save a Child‘s Heart“ tätig, einer weltweit tätigen israelischen Organisation für herzkranke Kinder in unterentwickelten Ländern. „Save a Child‘s Heart“ will nachhaltige Hilfe leisten – also durch die Ausbildung qualifizierter Mediziner in diesen Ländern eine eigenständige Versorgung der kranken Kinder ermöglichen. Dr. Assa hat deshalb auch in Dar es Salaam mit dem Aufbau eines Herzkatheter-Programms für Kinder begonnen. Zwei tansanische Kinderkardiologen sind bereits in Israel ausgebildet worden. Doch das Programm ist noch nicht auf dem medizinischen und technischen Standard, um auch kompliziertere Eingriffe mit dem Herzkatheter durchzuführen. Dr. Assa organisiert deshalb regelmäßig Teams von erfahrenen Ärzten, die unentgeltlich Herzkatheter-Eingriffe vor Ort durchführen. Als er beim DHZB angefragt hat, waren wir sofort dabei.

Welche Vorteile hat die Behandlung eines angeborenen Herzfehlers mit dem Herzkatheter, speziell in Afrika?

{bild_links}

Bei dem minimalinvasiven Verfahren wird ein dünner Schlauch über einen kleinen Einschnitt – meist in der Leistengegend – durch die Blutgefäße bis ins Herz vorgeschoben. Durch diesen Schlauch können wir nun verschiedene Untersuchungen und Eingriffe am Herzen durchführen, ohne dass eine offene Operation nötig wird. In einem Land wie Tansania ist das natürlich von besonders großem Vorteil: Eine offene Herzoperation ist belastender, teuer und aufwendig, außerdem sind die technischen und medizinischen Gegebenheiten für die notwendige intensive Nachsorge hier nur begrenzt vorhanden. Nach einem Herzkatheter-Eingriff dagegen können die Kinder in der Regel sehr schnell wieder entlassen werden und man sieht sofort einen Effekt der Behandlung.

Welche Verhältnisse haben Sie in der Klinik in Dar es Salaam vorgefunden?

{bild_links}Sicher entspricht die technische Ausstattung nicht der einer hochmodernen Klinik wie dem DHZB. Aber es hat vollauf genügt, um professionell und sicher arbeiten zu können. Die meisten Hilfsmittel hatten „Save a Child‘s Heart“ und wir mitgebracht. Was uns aber wirklich beeindruckt hat, war die Zusammenarbeit mit den einheimischen Ärzten und Pflegekräften: Die Kolleginnen und Kollegen dort sind extrem herzlich, wissbegierig und ambitioniert. Der Ehrgeiz, irgendwann ohne unsere Hilfe auszukommen, war ständig spürbar. 

Woher kamen ihre Patienten? 

Helfer von „Save a Child‘s Heart“ hatten medizinisch in Frage kommende Kinder bereits überall in Tansania gesichtet und den Eltern unseren Einsatz vorab bekannt gemacht. Die Leute waren teilweise tagelang unterwegs, um nach Dar es Salaam zu kommen. Entsprechend groß war unsere Motivation, möglichst vielen Familien helfen zu können.

Und - konnten Sie? 


Wir haben drei Tage lang von frühmorgens bis spätnachts fast ohne Pause gearbeitet. So konnten wir 14 Kinder erfolgreich behandeln, die sonst kaum eine Chance auf eine Therapie gehabt hätten und teilweise über 1000km über schlechte Strassen zu uns gefahren waren.



Ein Land wie Tansania hat eine hohe Kindersterblichkeit; Mangelernährung, HIV oder Malaria sind weit verbreitet. Da sind angeborene Herzfehler - statistisch gesehen – ein vergleichsweise kleines Problem…



...das ist uns natürlich bewusst. Aber wir sind nun mal Kinderkardiologen. Wir wollen und müssen dazu beitragen, dass sich auch diese Fachdisziplin in Ländern wie Tansania weiterentwickelt. Und jedes Menschenleben, das wir mit unseren Fähigkeiten retten können, zählt gleich viel – egal wo auf der Welt. 


Und das war‘s jetzt für Sie in Tansania?

{bild_links}Auf keinen Fall. Wie schon beschrieben, das Projekt ist vor allem auf Nachhaltigkeit ausgelegt. Und wir sind ja nicht die einzigen Ärzte aus Industrieländern, die dort helfen. Aber mit jedem Besuch werden die Teams vor Ort ein Stück besser ausgebildet und können hoffentlich dann dieses Eingriffe zukünftig mal ohne Hilfe durchführen. Ausserdem ist eine sehr effektive und fruchtbare Kooperation von israelischen und deutschen Medizinerteams entstanden, die es lohnt fortzusetzen. Auch wenn uns unsere klinischen und wissenschaftlichen Pflichten hier nicht allzu viel Zeit lassen – wir fahren wieder hin!

zurück