16.09.2022

Frauen in der Herzmedizin

Unsere Serie startet mit Dr. med. Judith Jütte vom Team der kardiologischen Ambulanz am DHZB

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Heute beginnt unsere Serie über Frauen in der Herzmedizin. Anlaß dafür ist der gestrige 152. Geburtstag von Rahel Hirsch, die 1913 an der Charité zu ersten Medizin-Professorin Deutschlands ernannt wurde (siehe dazu unser Post!).

Den Anfang macht heute Dr. med. Judith Jütte: Die Fachärztin für Innere Medizin arbeitet im Team der kardiologischen Ambulanz am DHZB. 

Eigentlich wollte Judith Jütte Psychologie studieren. Doch während eines Pflegepraktikums an der Charité entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Herzmedizin und wollte danach "nie wieder etwas anderes machen.“

Die gebürtige Berlinerin studierte an der Charité Medizin und ist heute – nach Stationen u.a. in Kanada, Köln, Essen und Düsseldorf – Teil des Teams der Klinik für Innere Medizin – Kardiologie am DHZB. Dort betreut die 37-jährige Fachärztin für Innere Medizin seit 2021 die Privatsprechstunde. Anfang 2023 wird sie ihre zweite Facharztweiterbildung für Kardiologie abschließen.

Ihre prägendste medizinische Erfahrung macht Judith Jütte als Berufsanfängerin am Berliner Vivantes Klinikum am Urban; beim damaligen Klinikdirektor Prof. Dietrich Andresen: „Er hat fachlich an mich geglaubt und mir damit Selbstbewusstsein und Stärke mit auf den Weg gegeben“  – Stärke, die Judith Jütte auf ihrem weiteren Werdegang durchaus gebraucht hat.

Im August 2019 – Judith Jütte arbeitet an einer großen Kardiologie in Nordrhein-Westfalen – kommt Tochter Hannah zur Welt. Judith Jütte geht ein Jahr in die Babypause – und macht Erfahrungen, die auch 152 Jahre nach Rahel Hirschs erster Professur für Frauen wohl noch keine Ausnahme sind: „Ich war ehrgeizig, ambitioniert und im festen Glauben daran, dass ein Kind mich nicht um meine Karriere bringen wird. Doch schon während der Schwangerschaft waren anspruchsvolle Fortbildungen für mich plötzlich nicht mehr vorgesehen, nach meiner Rückkehr wurde ich auf eine Station versetzt, die für mich ein klarer Rückschritt war.“

Judith Jütte zieht die Konsequenzen: Sie kündigt, wechselt zunächst an eine Privatpraxis und kehrt ein Jahr später nach Berlin zurück – gemeinsam mit ihrem Mann, der inzwischen Oberarzt geworden ist. „Ein Dasein als ,Anhängsel' kam für mich aber nach wie vor nicht in Frage“, erzählt Jütte, „ich wollte zurück an ein großes und renommiertes Haus“.

Im Dezember 2021 fängt sie in der kardiologischen Ambulanz am DHZB an, arbeitet zunächst in Vollzeit. Doch dann stößt sie als Ärztin, Mutter und Ehefrau an typische Grenzen und reduziert auf 75 Prozent. Ihren Ehrgeiz schmälert das nicht – und ihr Chef, Klinikdirektor Professor Burkert Pieske, unterstützt sie ausdrücklich dabei. Für Judith Jütte keine Selbstverständlichkeit:

„Ich weiß genau, dass eine Mutter gerade in den ersten Jahren auch mal kurzfristig von der Arbeit verschwinden muss, weil die Kita angerufen hat – und welche Herausforderungen das fürs ganze Team bereithält. Ich bin zugleich aber überzeugt, dass Chefärzt*innen diese „Durststrecke“ gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen durchstehen und ihnen dabei den Rücken stärken sollten.  Denn was sie langfristig zurückbekommen, sind motivierte, loyale und verantwortungsbewußte Ärztinnen!“

Judith Jütte hat als angehende Doppel-Fachärztin eine klare medizinische Vision: die Etablierung der Psychokardiologie im kardiologischen Alltag, eine ganzheitliche Herzmedizin also, auf hohem klinischen und wissenschaftlichen Niveau. Frauen sind dabei ganz gewiß nicht fehl am Platz, weiß Judith Jütte, sondern eher eine Bereicherung:

„Denn manchmal haben gerade Mütter vielleicht ein besonders ausgeprägtes Verantwortungsbewußtsein und ein hohes Maß an Geduld und Empathie“, sagt sie – im festen Bewußtsein, dass solche Werte natürlich auch von vielen männlichen Kollegen gelebt und geschätzt werden.

Judith Jütte rät allen angehenden Ärztinnen mit Familienwunsch, innerlich gewappnet, aber mit Zuversicht in den Spagat zwischen Karriere und Kind zu gehen. Denn sie weiß, dass er gelingen kann: Mit guten Kolleg*innen, innovativen Chefs, einer Partnerschaft auf Augenhöhe – und im Glauben daran, dass Karriere auch in Teilzeit möglich ist.

Wir danken Dr. med. Judith Jütte und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg!

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