„Wir sagen ja“ – DHZC-Aktion zum 50. Jahrestag der ersten Herztransplantation

Am 3. Dezember 1967 führte Christiaan Barnard in Kapstadt die erste Herztransplantation durch. Seitdem wurden weltweit weit über 100.000 Verpflanzungen des Herzens vorgenommen, allein am Deutschen Herzzentrum der Charite seit dessen Gründung 1986 rund 2000 (inklusive der kombinierten Transplantationen von Herz und Lunge).

Heute gilt die Herztransplantation als beste Möglichkeit, Patient:innen mit einer unheilbaren Herzschwäche langfristig zu retten.

Doch längst gibt es nicht genügend Spender: 297 Herztransplantationen (inklusive kombinierte Verpflanzungen von Herz und Lunge) wurden im Jahr 2016 in Deutschland durchgeführt. Doch am Ende des Jahres standen noch immer weit über 700 Patienten auf der Eurotransplant-Warteliste für ein Spenderherz.

Ab 1.12. porträtieren wir hier bis Weihnachten jeden Tag Patienten, die mit einem Spenderherz leben. Und: Wir möchten jeden Tag Menschen vorstellen, die „Ja“ sagen zur Organspende - per Foto mit Spenderausweis. Allen Patientinnen und Patienten und allen Unterstützern: Herzlichen Dank!

Auf diese Weise wollen wir dazu beitragen, dass sich die Menschen über das Thema Gedanken machen und zu einer persönlichen Entscheidung kommen – wie auch immer sie ausfallen mag.
Die vielen Kinder, Frauen und Männer auf den Wartelisten haben es verdient!

1. Dezember: Stefan Böök und Luise Bähr

Stefan Böök

Die erste Flugreise seines Lebens machte Stefan Böök aus Hesel in Ostfriesland im Alter von vier Jahren - in einem Ambulanzjet der US-Luftwaffe. Flugziel war Berlin, denn im Deutschen Herzzentrum sollte Stefan Böök ein Spenderherz bekommen. Mit diesem Organ lebt er nun seit über 30 Jahren. Und vor einem Jahr ist er glücklicher Vater geworden.

Ich bin am 15. Oktober 1982 in Wittmund zur Welt gekommen, das liegt bei Emden in Ostfriesland.  Bei meiner Geburt war ich bereits blau angelaufen, meine Mutter durfte mich nicht einmal sehen, da ich schnellstmöglich versorgt werden musste. Die Ärzte stellten dann fest, dass ich einen dreifachen Herzfehler habe: Ein Loch in der Scheidewand zwischen den Herzkammern, eine Verengung der Hauptschlagader am Herzen und eine Herzmuskelschwäche. Damals konnte man so etwas ja noch nicht so leicht während der Schwangerschaft diagnostizieren. Wie es meinen Eltern damals ging können Sie sich sicher gut vorstellen.

Da es in meiner Gegend keine ausreichende ärztliche Versorgung für mich gab, wurde ich in ein Bremer Krankenhaus verlegt. Hier wurde ich nun erst einmal mit herzstärkenden Medikamenten eingestellt, sodass ich nach einiger Zeit wieder nach Hause konnte.
Ich konnte zunächst mehr oder weniger gut leben und aufwachsen, allerdings war ich nie großartig belastbar, so dass ich nie lange laufen oder spielen konnte. Im Alter von vier Jahren verschlechterte sich mein Zustand dann zusehends und es wurde klar, dass mich nur ein Spenderherz retten kann. So wurde ich aus Bremen nach Berlin ins Deutsche Herzzentrum gebracht, wo man gerade ein neues Transplantationszentrum aufgebaut hat.
Zu dieser Zeit gab es noch keine großen Erfahrungen mit Herztransplantationen bei Kindern. Professor Roland Hetzer wollte die Operation aber durchführen und war zuversichtlich. Damals musste man als dringlich gelisteter Patient noch nicht in der Klinik bleiben, ich durfte also in der Wartezeit nach Hause. Mittlerweile ging es mir aber so schlecht, dass ich weder laufen noch krabbeln konnte, selbst zur Toilette musste ich getragen werden. Die Zeit lief mir davon. Am 7. Juni 1987, kurz nach Mitternacht kam dann der Anruf, ein Spenderherz für mich war da.

Kurze Zeit später klopfte es bereits an der Tür und die Polizei brachte uns zum Militärflughafen nach Wittmund, wo schon ein Jet der US-Luftwaffe auf uns wartete. Meine erste Flugreise begann.
Um 1:30 Uhr landeten wir am Flughafen Schönefeld. Ein Ostberliner Krankenwagen brachte uns ins Deutsche Herzzentrum Berlin, das zu der Zeit gerade einmal einen Monat in Betrieb gewesen ist. So musste für mich noch ein Kinderbett in einem anderen Krankenhaus organisiert werden und ein vorhandener OP- Kittel für Erwachsene wurde kurzerhand abgeschnitten. Es dauerte den ganzen Tag bis alles Voruntersuchungen abgeschlossen waren.

Die Operation hat um 22 Uhr begonnen und rund acht Stunden gedauert. Morgens gegen 6 Uhr durfte meine Mutter mich zum ersten Mal auf der Intensivstation besuchen. Am gleichen Tag noch habe ich mir zum Mittag Hähnchen und ein Eis bestellt – und auch bekommen!  Ich fühlte mich schon jetzt wie neu geboren und war kaum im Bett zu halten.
Die Wunden heilten und mir ging es von Tag zu Tag besser. Da ich aber das erste Kind war, das in Deutschland transplantiert wurde und es daher noch keine Erfahrungen auf diesem Gebiet gab, musste ich die ersten drei Monate zur Überwachung in der Klinik bleiben.
Meine Mutter hat mir dann bei Karstadt ein Dreirad gekauft. Mit dem fegte ich über die Gänge der Station, zum Leidwesen der Krankenschwestern. Die Oberschwester hat mir dann eine Hupe geschenkt und ich musste ihr versprechen, vor jeder Ecke zu hupen, damit die Schwestern aus dem Weg springen können.

Auch dank der großen Menschlichkeit aller Mitarbeiter wurde das Deutsche Herzzentrum Berlin damals wie ein zweites zu Hause für mich. Noch heute kommt mir eine Nachkontrolle deshalb vor wie ein Besuch bei Freunden. Gerade weil einige Angestellte aus dieser Zeit immer noch dort arbeiten. Schließlich wurde ich nach Hause entlassen. Ich durfte wegen der Ansteckungsgefahr mit Kinderkrankheiten zwar nicht in den Kindergarten. Zur Schule ging ich aber weitestgehend normal und erreichte auch einen guten Abschluss. Im Jahr 2000 fing ich eine Ausbildung zum Elektroniker bei der Marine in Wilhelmshaven an, aber dann haben meine Nieren versagt. Ich musste zur Dialyse. Das waren harte Jahre. Aber 2009 hatte ich dann das große Glück, im Berliner Virchow-Klinikum eine Spenderniere zu bekommen und so konnte ich 2011 meine Ausbildung wiederaufnehmen.

Anfang 2015 schloss ich meine Ausbildung als Jahrgangsbester ab und arbeite zurzeit als Ausbilder für Elektroniker bei der Marine in Wilhelmshaven. Wir sind auch auf Schiffen unterwegs, da geht es zur Sache, aber ich habe keine körperlichen Einschränkungen mehr.. Ich treibe Sport und in der Abendschule mache ich gerade den Meister für Elektrotechnik. Schon 2013 habe ich geheiratet. Meine Frau Tanja und ich leben jetzt in unserem eigenen Häuschen in Ostfriesland. Im Dezember 2016 ist unsere Tochter Elle zur Welt gekommen. Sie ist für uns der Inbegriff von Glück. Privat engagiere ich mich für eine Selbsthilfegruppe, die Wartelisten-Patienten und Transplantierte betreut. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Es ist traurig, dass die Spendenbereitschaft in Deutschland so gering ist. Ich selbst habe auch einen Organspender-Ausweis.

Irgendwo haben Eltern damals entschieden, die Organe Ihres verstorbenen zwölfjährigen Kindes frei zu geben. Seit 30 Jahren schlägt nun dessen Herz in mir. Ich werde diese Menschen nie kennen lernen dürfen. Aber ich bin ihnen für immer dankbar für diese Entscheidung.

Luise Bähr ist Schauspielerin und lebt seit vielen Jahren in Berlin. Neben vielen anderen Rollen im Kino und TV spielt sie seit 2014 in der ZDF-Erfolgsserie „Die Bergretter“ mit.

„Sich mit dem Thema Tod zu beschäftigen, erfordert viel Kraft, aber es ist trotzdem sehr wichtig, sich auch mit diesem Kapitel auseinanderzusetzen. Dass das Leben anderer mit einer Organspende gerettet werden kann, kann auch ein gewisser Trost für den eigenen Tod sein. Ich habe mich intensiv mit der Möglichkeit Organe zu spenden auseinandergesetzt, mich bei Ärzten informiert und mich mit meiner Familie darüber ausgetauscht.
Ich habe auch Verständnis für Menschen, die sich nicht für einen Organspender-Ausweis entscheiden, aber für mich persönlich ist klar, dass ich als Organspenderin zur Verfügung stehen möchte. Deshalb engagiere ich mich gerne für die Aktion des Deutschen Herzzentrums Berlin.

Ich sage: Ja!

2. Dezember: Maria Wien und Tobias Schulze

Maria Wien

Meinem Bruder Tobias wurden in der Nacht zum 25. Oktober 2016 im Deutschen Herzzentrum Berlin Herz und Lunge eines Organspenders eingesetzt. War es der Spender selbst, der sich noch zu Lebzeiten entschieden hat, meinem Bruder ein neues Leben zu schenken oder war es seine Familie? Wir werden es nie erfahren und das ist wohl auch gut so. Jedenfalls bin ich diesen Menschen unendlich dankbar.

Einen Organspender-Ausweis trage ich übrigens schon seit meinem 16 Lebensjahr, nicht erst seit Tobias’ Transplantation oder seit er auf die Warteliste kam. Aber natürlich hatte es mit seiner Krankheit zu tun, dass ich mich schon relativ früh mit dem Thema auseinandergesetzt habe.

Die Monate des Wartens waren schlimm. Wir leben in Jena, ich habe drei Kinder. Da war es schwer, Tobias regelmäßig in der Berliner Klinik zu besuchen. Obwohl ich wusste, wie verzweifelt er oft war.

Umso schöner ist es zu wissen, wie gut es ihm jetzt geht, ein Jahr später. Tobias ist ein Guter. Er hat es mehr als verdient.

Tobias Schulze

Einfach mal eine Stunde alleine durch den Wald wandern – das war für Tobias Schulze (35), der mit einem schweren Herzfehler geboren wurde, sein Leben lang nur ein Traum. Seit seiner Herz-Lungen-Transplantation im Oktober 2016 ist das anders.

Ich kam 1982 mit einem schweren angeborenen Herzfehler zur Welt, eine chirurgische Behandlung war damals nicht möglich, aufgewachsen bin ich in Cunewalde bei Bautzen. Meine Kindheit und Jugend waren eigentlich noch einigermaßen normal, obwohl ich körperlich schon sehr eingeschränkt war. Ich habe eine Ausbildung zum Informatik-Kaufmann gemacht und dann auch einen Job gehabt. Aber schon 2009 musste ich leider berentet werden. Mein Herz war zu schwach. Und durch den Rückstau des Bluts war auch meine Lunge inzwischen unheilbar geschädigt.

Einige Jahre konnte ich noch mit Hilfe von Medikamenten durchhalten. Aber im März 2016 kam ich als Notfall ins Deutsche Herzzentrum Berlin und wurde Ende Mai kommt er auf die Warteliste für eine Herz-Lungentransplantation gesetzt. Ab dann hieß es warten. Körperlich ging es mir schon ziemlich schlecht. Und ich gebe zu, auch psychisch war ich manchmal am Ende.

Am Schlimmsten war diese Zeit vielleicht für meine Eltern. Aber sie haben mich das nie spüren lassen und mir immer Kraft und Mut zu geben versucht.

Am Abend des 25. Oktober kam eine Krankenschwester in mein Zimmer: Eurotransplant hatte passende Organe gemeldet.  „Gefühlschaos“ – das klingt vielleicht ein bisschen abgedroschen, aber es fasst meinen Zustand in dem Moment ganz gut zusammen. Angst vor der OP hatte ich aber keine mehr. Mir war klar, dass ich mich ab jetzt völlig den Ärzten anvertrauen muss. Und dass es gut gehen wird.

Um 2 Uhr morgens wurde ich in den OP gebracht. Ich habe mich an der Schleuse von meinen Eltern verabschiedet, das Team der Anästhesie hat sich vorgestellt. Und dann weiß ich nichts mehr.

Professor Knosalla und sein Team hatten bei dem Eingriff wohl keine Probleme. Nach einer Woche war ich wieder vollständig bei Bewusstsein und konnte meinen mühsamen Weg zurück ins Leben antreten. Das kann man auch wörtlich nehmen, weil ich regelrecht wieder gehen lernen musste, meine Muskeln waren ja völlig verkümmert.
Aber gemeinsam mit den Ärzten, Pflegekräften und Physiotherapeuten ging es eigentlich täglich bergauf.

Nach etwa einem Monat wurde ich von der Intensiv- auf die Normalstation verlegt.  Im Dezember 2016 wurde ich in die Reha-Klinik entlassen. Und war am 23.12.2016 wieder zu Hause.

Vor der Transplantation habe ich mit Mühe und Not vielleicht noch 200 Meter zu Fuß geschafft.
Inzwischen laufe ich locker 13 Kilometer am Stück. Das konnte ich in meinem Leben noch nie Eine Wanderung war früher nur möglich, wenn mich mein Vater als Kind auf den Schultern getragen hat. Später bin ich dann einfach nirgend wo mehr hingegangen.

Umso mehr genieße ich jetzt diese unglaubliche Freiheit. Schon seit 2007, weit vor meinem langen Klinikaufenthalt habe ich mich als vom Gericht bestellter Betreuer um 8 geistig behinderte bzw. psychisch erkrankte Menschen gekümmert. Mein Vater hat das vorübergehend für mich übernommen. Jetzt mache damit wieder weiter.

Ich bin dem unbekannten Spender meiner Organe unendlich dankbar. Das sagt an dieser Stelle wohl fast jeder Organtransplantierte. Aber man kann es auch nicht oft genug wiederholen.

3. Dezember: Beate Feige und Harald Pignatelli

Ein Jahr und neun Monate hat Beate Feige im Deutschen Herzzentrum Berlin auf eine kombinierte Herz-Lungen-Transplantation gewartet. Jetzt konnte sie in die Reha entlassen werden. Und hofft auf Weihnachten zu Hause. Hier ist ihre Geschichte.

Ich bin 1964 in Potsdam geboren und aufgewachsen. Mit dem Herz hatte ich nie was. Erst als ich mit dem jüngsten meiner vier Kinder schwanger war, merkte ich, dass was nicht stimmt. Ich wurde immer kurzatmiger, allein an der Schwangerschaft konnte das nicht liegen. Die Ärzte haben eine pulmonale Hypertonie festgestellt. Dabei steigt der Widerstand in den Blutgefäßen vom Herz zur Lunge an. So kommt zu wenig Blut in der Lunge an und das Herz muss immer gegen diesen Widerstand anpumpen.

Man kann das mit Medikamenten behandeln, aber nicht wirklich heilen. Und so blieb am Ende nur noch die Transplantation von Herz und Lunge als Überlebenschance. Im Februar 2016 wurde ich mit höchster Dringlichkeit für eine Transplantation gelistet und wurde stationär im DHZB aufgenommen.

Ein Jahr und neun Monate lang habe ich gewartet. Ein Jahr und neun Monate. Station H3, Zimmer 1. Was ich gemacht habe?  Gelesen, gemalt. Und irgendwann gepuzzelt. Sehr viel gepuzzelt. Wenn es mir körperlich gut ging. Und das war leider nicht immer der Fall.

Natürlich bin ich auch mal in ein Loch gefallen. Wollte einfach abhauen. Aber ich wusste: Wenn ich das mache, fliege ich von der Liste. Also habe ich mich eben immer wieder aufgerappelt. Und weiter gewartet.

Vor vielen Monaten gab es schon mal ein Angebot und ich wurde in den OP gebracht. Aber dann war mit einem der beiden Organe wohl was nicht in Ordnung. Die Operation wurde abgesagt, ich wurde wieder auf die Station gebracht. Ja, das war hart. Sehr hart.

Als es dann am 15. Oktober wieder losging, war ich völlig entspannt. „Wird ja eh wieder nix“ hab’ ich mir gedacht. An viel mehr kann ich mich gar nicht mehr erinnern.

Dass ich mich von der Operation so schnell erhole, hätte ich selbst nicht gedacht. Etwa zwei Wochen war ich auf der Intensivstation, dann ging’s zurück auf die H3. Die wollten mich wieder in Zimmer eins legen. „Nee“, hab’ ich gesagt: „Da war ich lange genug“.

Am letzten Dienstag bin ich in die Reha entlassen worden. Wenn alles klappt bin ich Weihnachten zu Hause. Wir werden an den Stadtrand ziehen, nahe am Wald. Ein kleiner Hund, und dann ‚raus in die Natur, das ist es was ich mir wünsche. Mehr nicht. Dass ich keinen Sauerstoff mehr brauche, dass ich ‚raus bin aus der Klinik, das ist mir Glück genug. Und natürlich meine Familie: Zwei Söhne, zwei Töchter, 4 Enkel.

Trotz der viel zu langen Zeit habe ich mich am DHZB immer gut aufgehoben gefühlt, dafür bin ich allen Ärzten und den Pflegekräften sehr dankbar. Und ich danke meinem Lebensgefährten Hans-Joachim. Er steht sein 35 Jahren an meiner Seite. Viele andere wären bei meiner Krankengeschichte längst abgehauen.

Der nicht!

Harald Pignatelli ist seit vielen Jahren ebenso erfahrener wie beliebter TV-Moderator, unter anderem der RBB-Sendung ZiBB – „Zuhause in Berlin und Brandenburg“. Privat setzt sich Harald Pignatelli auch für die Freunde des Deutschen Herzzentrums Berlin e.V. ein. Den Spenderausweis zu tragen ist für ihn eine Selbstverständlichkeit.

„Gibt es einen schöneren Gedanken, als aktiv helfen zu können, auch wenn man selbst nicht mehr aktiv werden kann? Organspende ist Leben - und eben auch „Weiter-leben“. Mein persönlicher Aufruf an alle, die noch keinen Ausweis tragen:  Machen auch Sie endlich mit, und springen Sie über Ihren Schatten!“

4. Dezember: Julia Müller und die Band „Etalon Zero“

„Mami ist wieder da, Mami ist wieder da“, ruft Julia Müllers siebenjähriger Sohn immer wieder, als seine Mutter im Oktober 2014 endlich wieder nach Hause kommt. Nach sieben Jahren schwerer Herzkrankheit wurde der heute 37jährigen Berlinerin am DHZB ein Spenderherz eingesetzt. 

Als ich im Dezember 2006 in der neunten Woche schwanger war, erlitt ich bei der Arbeit plötzlich einen Herzstillstand. Glücklicherweise konnte ich schnell reanimiert werden, sodass weder das aufkeimende Leben in mir noch ich selbst einen bleibenden Schaden davontrugen.

Trotz vieler Einwände der Mediziner konnte ich mein Kind unter strenger Überwachung austragen und es kam gesund zur Welt. Zwei Tage nach der Geburt bekam ich meinen ersten Defibrillator implantiert und - mit kleinen Ausnahmen - war mein Zustand während der nächsten drei Jahre einigermaßen stabil. Als Auslöser für meinen Zusammenbruch sah man damals das Zusammenspiel einer verschleppten Erkältung, Stress und hormonellen Umstellungen. Später allerdings stellte sich heraus, dass ich eine genetisch bedingte „dilatative Kardiomyopathie“, also Herzmuskelschwäche hatte. Diese Erkrankung ist nicht heilbar, und so wurde mein Herz nach und nach immer schwächer.

Irgendwann konnte ich mich kaum noch bewegen, ohne total erschöpft zu sein. Ich begrenzte meine Aktivitäten auf die wichtigsten Wege, um mein Kind von A nach B bringen zu können. Ansonsten lag ich so viel es ging im Bett. Ich bekam auch immer wieder elektrische Schläge vom Defibrillator, die wahnsinnig schmerzhaft und sehr traumatisierend waren.

Zum Glück ist dies nie passiert, als mein Sohn in der Nähe war. Ich konnte ihm noch eine ganze Zeit lang die starke Mutter vorspielen, aber im Sommer 2013 wusste ich, dass es so nicht mehr weitergehen kann.

Ich hatte mich schon lange im Voraus mit dem Thema Herztransplantation beschäftigt, weil mein Vater ebenfalls diese Krankheit hatte, den Weg der Transplantation aber ablehnte und irgendwann verstarb.

Ich meldete mich im DHZB, dort untersuchten mich die Ärzte und bestätigten mir, dass ich ein klarer Fall für eine High-Urgent-Listung war, also eine Listung mit hoher Dringlichkeit. Ich wurde also stationär aufgenommen. Damit war ich zwar von meinem Kind getrennt, aber war auch eine enorme Erleichterung für mich.

Endlich konnte ich mich mal ausruhen und ich wusste mein Kind bei Freunden, Vater und Familie gut versorgt.

Ein halbes Jahr wartete ich im Paulinenkrankenhaus, versuchte mich währenddessen so fit wie möglich zu halten, damit nicht die ganze Muskulatur erschlaffte, aber die letzten zwei Monate waren sehr, sehr hart. 

Im Juli 2014 kam dann der Anruf und ich wurde transplantiert.

Als ich aufwachte, war ich überglücklich. Ich spürte mein neues Herz ganz kräftig schlagen. Regelmäßig, ohne Angst, dass der nächste Schlag ausbleiben könnte, so wie ich es die letzten Jahre so oft erleben musste. 

Die Physiotherapeutinnen kamen jeden Tag mehrmals, um die viele eingelagerte Flüssigkeit wieder aus meinem Körper zu bekommen und ich machte fleißig mit. Danach kam ich von Intensiv- auf Normalstation und dann schon relativ zügig in die Reha. 

Dort lernte ich wieder Sport zu machen und meinem Körper wieder etwas zuzutrauen. Ich machte schnell Fortschritte und durfte auch schon bald sehr gestärkt nach Hause. 

Mein Sohn freute sich wahnsinnig: ,,Mami ist wieder da, Mami ist wieder da“, hat er immer wieder gerufen.  Als ich im Paulinenkrankenhaus auf die Transplantation gewartet habe, war mein größter Wunsch, mit ihm wenigstens mal zusammen langsam Fahrrad fahren zu können, heute gehen wir auch zusammen schwimmen, ich jogge und mache mehrere Male die Woche Tai Chi.

Ich habe noch einmal angefangen zu studieren und genieße jeden Tag meines geschenkten Lebens. Es ist schon wieder sehr alltäglich geworden alles - und doch immer noch so besonders.

Spenderfamilie und Empfänger dürfen sich ja nicht kennenlernen. Aber es ist möglich, der Familie des Spenders einen anonymisierten Brief zukommen zu lassen. Das habe ich getan. Und dabei fest versprochen, dass ich auf dieses große Geschenk gut aufpassen werde. Jeden Tag meines Lebens.

Wir sagen Ja!
Heute: Die Band „Etalon Zero“: Arnaud, Mathieu und Kornelius (auf dem Foto v.l.)

Ich heiße Kornelius und bin der Drummer von „Etalon Zero“, das ist Französisch und heißt: „Eichmaß Null“. Wir sind also Nullen, aber geeichte Nullen! Fragen Sie mich nicht, wie wir auf diesen Bandnamen gekommen sind. Nur die Sprache ist klar, denn Arnaud, unser Sänger und Gitarrist und Mathieu, der Bassist, kommen beide aus Frankreich. So wie ich leben sie aber schon seit vielen Jahren in Berlin. Vor zwei Jahren haben wir uns kennengelernt und machen jetzt Musik zusammen. Der Stil: Irgendwo zwischen Rock, Punk und Heavy Metal; jedenfalls ziemlich experimentell und sehr düster.

Wir machen das nur als Hobby, beruflich bin ich Cutter für Fernseh- und Werbeproduktionen. Ich habe schon einige Filme fürs Deutsche Herzzentrum Berlin geschnitten und dabei schon viel über die Herzmedizin gelernt, über die oft beeindruckende Kraft der Patienten und die faszinierenden Möglichkeiten der Ärzte.

Die Aktion war ein guter Anlass, sich endlich mal einen Spender-Ausweis zu besorgen. 

Und als ich Arnaud und Mathieu davon erzählte, waren die beiden sofort dabei. 

Dass man durch seinen Tod einem anderen Menschen das Leben schenken kann, das ist für uns alle drei ein ziemlich schöner Gedanke.

Das Foto haben wir in unserem Proberaum gemacht: Wir sagen ja!

5. Dezember: Recep Mamak und Bernhard Bettermann

Der heute sechsjährige Recep Mamak verbrachte über anderthalb Jahre stationär am DHZB, angeschlossen an ein Kunstherz. In dieser langen Zeit ist Recep mit seiner Neugier und seinem Lebensmut wohl allen Mitarbeitern der Klinik ans Herz gewachsen. Am 1.8.2015 wurde Recep herztransplantiert. Sein Bruder Fatih (18) erzählt eine bewegende Geschichte, die auch sein Leben für immer verändert hat. 

Mein Bruder Recep wurde am 17.März 2011 im Krankenhaus Neukölln geboren. Vorher hatte man nicht erkannt, was für einen schweren Herzfehler er hat. Da musste also alles plötzlich ganz schnell gehen. Ich war damals erst 10 Jahre alt und habe alles gar nicht so recht begriffen. Heute weiß ich das natürlich: Recep ist mit einem hypoplastischen Linksherz-Syndrom zur Welt gekommen, ihm fehlte sozusagen das halbe Herz. Ohne eine Operation wäre er sofort gestorben. Wenige Tage später wurde der erste Eingriff vorgenommen, etwa fünf Monate später kam die nächste Operation. 

Klar, in unserem Leben war nichts mehr wie vorher. Ich weiß noch, dass ich mich in die Intensivstation nicht 'reingetraut habe. Ich wollte meinen Bruder so nicht sehen, angeschlossen an die ganzen Schläuche und Kabel. Und meine Mutter habe ich meistens nur am Wochenende gesehen, die war ja immer bei Recep. Aber Oma und Papa, die waren immer für mich da. 

Das wurde dann Alltag für uns, Untersuchungen, Herzkatheter, Operationen, Angst, Sorge, Hoffnung. Recep stand immer im Mittelpunkt. Aber ich habe mich trotzdem nie vernachlässigt gefühlt. Dafür bin ich meinen Eltern für immer dankbar. 

Einige Zeit lang schien alles ganz gut zu laufen, Recep konnte auch entlassen werden. Aber ich weiß noch, ich war auf Klassenfahrt an der Nordsee, da hat mir meine Oma am Telefon gesagt, dass Recep wieder ins Krankenhaus muss. Von da ab ging es wohl immer schlechter, obwohl die Ärzte alles getan haben, was sie können. Am 17. Januar 2014 wurde Recep dann ans Kunstherz angeschlossen, also an eine Maschine, die die Arbeit seines Herzens übernimmt. Aus seiner Brust kamen zwei Schläuche, angeschlossen an einen Apparat so groß wie ein Kühlschrank, immerhin auf Rollen. 

Und so haben wir dann auf ein Spenderherz gewartet, Wochen und Monate. Der Imbiss am Augustenburger Platz auf der einen Seite, die Mittelallee vom Virchow-Klinikum auf der anderen Seite. Soweit reichte seine Welt. Das DHZB, die Station H4, das war sein Zuhause. 

Klar, das hört sich schlimm an. Aber Recep kannte es ja gar nicht anders. Und er war nicht der einzige. Thore, Shira, Lisa-Maria, da waren ja die anderen Kunstherz-Kinder und ihre Eltern. Wir alle waren wie eine große Familie. Jeden Donnerstag um drei hat Pfarrer Ekkehard Kirchner Gitarre gespielt und mit uns gesungen. Und es gab viele andere Termine, Physiotherapie und so. Und die ganzen Krankenschwestern, Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, die waren alle immer da für uns.  Vor allem aber Danni, also Daniela Gratz-Greiser, die Erzieherin auf der Station H4. Ohne Danni, das muss ich hier mal sagen, hätten wir das alles vielleicht nicht überstanden. 

Vielleicht bin tatsächlich ein bisschen schneller erwachsen geworden als andere Jungs in meinem Alter. Mir war schnell klar, was meine Eltern durchmachen müssen. Und ich wollte ihnen deshalb meine Gefühle, meine Nöte und Ängste möglichst wenig zeigen. Wenigstens einer von uns muss immer stark sein, also auch ich, habe ich mir gedacht. Und diese Zeit hat uns als Familie sehr zusammengeschweißt. 

Ich bin auf Mama und Papa auch sehr stolz. Meine Eltern stammen aus der Türkei, mein Vater ist zwar in Heilbronn geboren, hat aber seine Kindheit und Jugend in der Türkei verbracht. Und meine Mama ist erst 1998 nach Deutschland gekommen. Ehrlich: Bevor das mit Recep losging, war ihr Deutsch aber noch ziemlich mies. Aber sie hat dann extrem schnell gelernt, davor habe ich großen Respekt. 

Am ersten August 2015 hatten wir gerade Besuch. Wir saßen im Warteraum von der Aufnahme. Da kam Dr. Musci rein und sagte, es gibt ein Angebot für ein Spenderherz. Alle haben geweint, nur ich nicht. Ich habe erst geweint, als die uns gesagt haben, dass das Angebot endgültig bestätigt ist. Um 15 Uhr ist Recep dann reingefahren worden in den OP. So um 10 Uhr abends war das Herz da. Professor Photiadis hat es eingesetzt. 

Alles ist gut gegangen. Am 21. September ist Recep in die Reha entlassen worden, da gab's ein richtiges Fest im Innenhof, schön war das. Von den ganzen Medikamenten war sein Gesicht erst mal aufgedunsen und ein wenig behaart. Und noch lange hat er nach drei Schritten halt gemacht. Und vor jeder Ecke ausgeholt, dass sein Wagen mit der Pumpe nicht anstößt. Obwohl der gar nicht mehr dranhing. 

Recep genießt sein Leben. Jeden Tag. Der will alles wissen, alles erleben. Und er ist absoluter Fuball-Fanatiker. Recep könnte 24 Stunden am Tag kicken, wenn's nach ihm geht. 

Recep hat auch mein Leben verändert, ja. Ich habe die Schule nach der mittleren Reife unterbrochen und ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kinder-Intensivstation vom Herzzentrum gemacht.  Ich wollte das kennenlernen, bevor ich mich weiter entscheide. Jetzt steht der Plan. Fachabitur. Und dann die Ausbildung zum Krankenpfleger. Das Ziel: Zurück auf die Kinder-Intensiv vom DHZB. Diesmal als Profi!

Er hat bei diversen Tatort-Krimis mitgespielt, bei "Der Alte", "Siska" oder der "Soko Kitzbühel", dazu in diversen Fernseh- und Kinofilmen: Es dürfte kaum eine Rolle geben, in die Schauspieler Bernhard Bettermann in seiner über 30jährigen Karriere noch nicht geschlüpft ist. Den meisten Zuschauern aber dürfte er inzwischen als Dr. Martin Stein bekannt sein, leitender Oberarzt der Chirurgie in der seit Jahren ungebrochen erfolgreichen ARD-Klinikserie "In aller Freundschaft":

Ich spiele den Dr. Stein bereits seit 2006. Sicher nicht nur, aber auch wegen dieser Rolle habe ich mich mit dem Thema Organspende schon vor langer Zeit auseinandergesetzt. 

Ich muss aber ehrlich zugeben: den Ausweis habe ich erst seit etwa 2 Jahren. Viele können das vielleicht nachvollziehen, man nimmt sich das vor, aber im Alltag sind dann immer wieder andere Dinge wichtiger.

Ich fände es deshalb gut, wenn so ein Ausweis ungefragt an alle Bürger verschickt wird, dann wäre die Hürde geringer, als wenn man ihn sich abholen, zuschicken lassen oder herunterladen muss. 

Noch besser wre es meines Erachtens, wenn sich eine Widerspruchslösung wie in vielen anderen europischen Lndern auch bei uns politisch durchsetzen könnte. Da sehe ich aber leider sehr wenige Impulse, von welcher Partei auch immer.

Ich bin jedenfalls froh, dass ich die Karte jetzt in der Brieftasche habe - und sage Ja!

6. Dezember: Erik Bitterling und Angela Ipach von den "Jungen Helden"

Am 5. März 2016 wurde Erik Bitterling herztransplantiert. Nach fast einem Jahr Wartezeit und sechsjähriger Krankheit, die ihn aus heiterem Himmel getroffen hat. 

„Hallo, mein Name ist Erik, ich bin 22 Jahre und komme aus Rostock. Alles fing im Frühjahr 2010 an, als ich eine Grippe verschleppt habe und die sich aufs Herz gelegt hat. Meine Herzleistung war bei ca. 12% und ich konnte von einen auf den anderen Tag nicht mal mehr zehn Meter gehen, ohne dass ich aus der Puste war.

Ich war bei meinem Hausarzt, der hat dann ein Ultraschall gemacht und mich sofort in die Uniklinik nach Rostock überwiesen. Von da ging es dann gleich weiter mit dem Helikopter nach Berlin. Dort war ich dann sechs Wochen und wurde ganz gut mit Medikamenten eingestellt, sodass sich mein Herz wieder ein wenig erholen konnte.

Die Leistung war nun bei ca. 30% und ich musste nur noch jedes Jahr einmal nach Berlin zur Kontrolle. Ich habe 2013 dann meinen Realschulabschluss geschafft und wollte mich eigentlich nach Arbeit umgucken. Aber daraus wurde leider nichts, weil sich mein Gesundheitszustand rapide verschlechtert hat. Im Sommer 2013 musste mir ein Kunstherz eingesetzt werden. 5 Wochen nach der Implantierung wurde ich wieder nach Hause geschickt und konnte 2014 sogar eine Ausbildung beginnen, als Kaufmann für Büromanagement.

2015 musste das Kunstherz wegen eines Blutgerinnsels getauscht werden. Danach kam ich auf die Warteliste für ein Spenderherz, als Hochdringlichkeits-Patient. Ich wurde im Paulinenkrankenhaus stationär aufgenommen. Das Warten ging los und ich wusste nicht so wirklich, was auf mich zukommt. Zum Glück hatte ich einen super Zimmernachbarn, der auch auf ein Herz gewartet hat, mit Ihm lag ich zusammen, bis ich transplantiert wurde. 

Am 5. März 2016, nach elfeinhalb Monaten Wartezeit war es bei mir soweit.

Mein Zimmernachbar hat sein Herz zum Glück ein paar Tage nach mir bekommen. Wir treffen uns heute noch regelmäßig.

Heute, anderthalb Jahre nach der Transplantation, hab’ ich meine Ausbildung wieder angefangen und fühle mich richtig gut. Ich mache jetzt regelmäßig Sport und unternehme viel mit Freunden.

Freue mich schon riesig auf Weihnachten und auf das gute Essen, das es immer gibt -  endlich wieder Zuhause mit meiner Familie!

Eins ist klar: Ohne die tollen Ärzte, Schwestern und Pfleger, meiner Familie und den neuen Freunden, die ich in der Klinik kennengelernt habe, hätte ich das wahrscheinlich alles psychisch nicht durchgehalten.

Und ganz GROSSEN Dank an meinen unbekannten Spender: Ohne Dich würde ich jetzt hier nicht sitzen und diesen Text schreiben. Ich bin Dir unendlich Dankbar dafür!

In diesem Sinne: Euch allen schöne Weihnachten!“

Angela Ipach ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Vereins Junge Helden e.V., der sich seit vielen Jahren und mit großem Erfolg für Wissensvermittlung und Aufklärung zum Thema Organspende einsetzt. Angela Ipach und ihr Team setzen damit ein Projekt fort, dass sie gemeinsam mit Angelas Schwester Claudia gegründet hatten. Claudia wurde im Mai 2007 am DHZB lungentransplantiert und ist vier Jahre später verstorben. 

Im Alter von sieben Jahren wurde bei Claudia die seltene Autoimmunkrankheit Sklerodermie diagnostiziert. Trotz der Diagnose hat sie es jedoch geschafft, ein relativ normales Leben zu führen, denn Claudia hat sich nicht als krank empfunden, die Krankheit aber auch nicht als ihren Feind verstanden. Vielmehr hat sie sich weiterhin an ihrem gesunden Umfeld orientiert und versucht, ihre Krankheit in ein möglichst aktives Leben zu integrieren.

Schon damals waren ihr unbeschreiblicher Lebenswille und ihre Kraft zu spüren. Als sich mit 20 Jahren der Zustand ihrer Lunge jedoch enorm verschlechtert hatte, wurde schnell deutlich, dass ihr Leben nur durch eine Lungentransplantation gerettet werden kann. Vier Jahre musste Claudia auf eine neue Lunge warten.

Die Zeit bis zur Transplantation hat sie jedoch genutzt, indem sie „Junge Helden“ gegründet und einen neuen Umgang mit dem Thema Organspende etabliert hat.

Anstatt zu moralisieren und pro zu agieren, hat Claudia den Weg für einen liberalen und lebensbejahenden Umgang mit dem Thema geebnet. 

Am 9. Mai 2007 wurde Claudia schließlich transplantiert und konnte ihr Leben danach noch intensiver als zuvor leben. Sie ist verreist, hat Sport gemacht, ein Buch geschrieben, sich noch mehr für Junge Helden stark gemacht und einfach jede Sekunde mit ihren Freunden und ihrer Familie genossen. Am 14. Juni 2011 ist Claudia an einem Herzversagen in ihrer Berliner Wohnung gestorben.

So plötzlich Claudi uns auch verlassen hat, so sehr hat sie uns aber auch auf diesen Moment vorbereitet. Das hat sie eher indirekt gemacht, aber indem sie ihre Gedanken und Vorstellungen immer mit uns geteilt, Diskussionen und offene Worte nie gescheut hat, haben wir immer deutlich vor Augen, wie Claudi handeln würde.

Gemeinsam setzen wir nun die Initiative meiner Schwester fort.

Wir klären an Schulen, Universitäten, Unternehmen und Sportveranstaltungen auf, wir produzieren und verteilen Aufklärungsmaterial. Seit 2015 ist unser Aufklärungsfilm „Entscheidend ist die Entscheidung“ online sowie als DVD verfügbar.

Durch regelmäßige Beiträge in der Presse sowie auf unseren Social Media-Kanälen verschaffen wir dem Thema Organspende eine weitreichende Aufmerksamkeit und fördern die öffentliche Wahrnehmung.

Unser Ziel ist es, dass sich möglichst viele Menschen die Frage beantworten, ob sie Organe spenden möchten, oder nicht.  Ein "Nein" auf dem Organspender-Ausweis ist genauso wichtig wie ein "Ja".

Was zählt, ist die Entscheidung!

7. Dezember: Frank-Rüdiger Hoppe und Stephanie Maile

Es ist heute Abend vor genau einem Jahr, als eine Krankenschwester und ein Arzt ins Zimmer von Frank-Rüdiger Hoppe kommen, der im Berliner Paulinenkrankenhaus auf eine Herztransplantation im DHZB wartet: Eurotransplant hat ein passendes Organ gemeldet. „Ich hätte sie beide knutschen können“, sagt Frank-Rüdiger Hoppe heute.

Ich bin im März 1955 im thüringischen Nordhausen geboren, wo ich heute noch lebe.
Nach dem Besuch der polytechnischen Oberschule habe ich als Elektromonteur gearbeitet, 18 Monate war ich als Wehrdienstleistender bei der Marine auf Rügen. Dort habe ich auch meine Frau kennengelernt.

1977 haben wir geheiratet, 1978 und 1981 wurden unsere beiden Söhne geboren, 1987 haben wir gebaut. Es war ein glückliches und sehr aktives Leben, dass ich geführt habe. Ich sag’s mal so: Ich war nie ein Mensch, der einen Wecker gebraucht hat.

Bis ins Jahr 1992: Plötzlich hatte ich mich immer häufiger schlapp gefühlt, war antriebslos und hatte kaum noch Lust aufzustehen. Das ging ein paar Monate so und ich habe das zunächst eher verdrängt.

Eines Tages im September bin ich dann mit stark geschwollenen Beinen aufgewacht und endlich mal zum Arzt gegangen. Der hat mich zunächst zum Urologen geschickt. Doch der konnte nichts feststellen. Und eine Woche später ging dann alles sehr schnell: ich wurde zu einer Lungenfachärztin geschickt, die hat mich sofort ins Krankenhaus überwiesen.

Noch am selben Tag wurde mir dort mitgeteilt, dass ich schwer herzkrank sei und wohl nie weder werde arbeiten können. Die Diagnose: Restriktive Kardiomyopathie, also eine fortschreitende Herzmuskelschwäche, die zwar mit Medikamente behandelt werden kann, aber letztendlich unheilbar ist.

Das war natürlich ein Schock, das kann sich sicher jeder vorstellen. Im Sommer 1993 wurde ich als erwerbsunfähig berentet und musste lernen, damit klarzukommen.

Etwa drei Jahre später las ich in einer Zeitschrift was übers Deutsche Herzzentrum Berlin und dachte mir sofort, dass ich mich da mal vorstellen will. Gedacht, getan: Also bin ich nach Berlin gefahren. Dort wurde mir dann zum ersten Mal mitgeteilt, dass eine irgendwann mal eine Transplantation meine letzte Möglichkeit sein könne. Wollte ich aber nicht wahrhaben.  Ich konnte ja trotz der schweren Krankheit auch erstmal ganz gut weiterleben.

Aber im Frühjahr 2013 ist mein Zustand dann regelrecht umgekippt. Ich konnte mich kaum noch bewegen. Und bin am 7. Juni mit hoher Dringlichkeit für die Transplantation gelistet worden.  So schnell wie ich jetzt ein Spenderorgan gebraucht hätte, war aber keines da. Und so mussten mir die Ärzte wenige Wochen später eine künstliche Kreislaufpumpe einsetzen. Sonst wäre ich auf der Warteliste gestorben.

Drei Jahre später haben sich aber Blutgerinnsel im Schlauch der Maschine gebildet und es war klar, dass ich mit dem System nicht mehr lange weiterleben kann. Am 15.10.2016 kam ich auf die Warteliste. Und nur 56 Tage später am Abend des 7. Dezember kam eine Schwester in mein Zimmer. Und im Schlepptau ein Arzt. Eurotransplant hatte ein passendes Herz für mich gemeldet. Ich hätte beide knutschen können, so froh und aufgeregt war ich.

Ich hatte auch keine Angst vor der OP. Ich wusste, dass das gut geht. Und es ging gut. Am 26. Januar ging’s in die Reha, am 16. Februar nach Hause. Ganz klar, der Weg zurück ins Leben war kein leichter. Aber jetzt bin ich wieder fit. Und seit vorletzten Montag auch Mitglied einer Herzsport-Gruppe. Ich kann dankbar sein heute. Und danke sagen: Den Ärzten, Pflegekräften und allen anderen Mitarbeitern des DHZB und des Paulinenkrankenhauses. Vor allem aber meiner Frau, die immer an meiner Seite geblieben ist in vielen schweren Zeit. Seit 40 Jahren sind wir nun miteinander verheiratet. Was für ein Glück.

Die „Ausweis-Trägerin des Tages“ ist heute Casterin und Schauspielerin Stephanie Maile aus Berlin -  eine enge Freundin von Julia Müller, die uns am 4. 12. ihre Geschichte erzählt hat:


„Julia kenne ich seit 10 Jahren – und ich kannte sie eigentlich immer nur krank. Ich war dabei, als sie an jenem Abend im Juli 2014 aus dem Paulinenkrankenhaus ins Deutsche Herzzentrum Berlin verlegt wurde und habe sie bis zur OP-Schleuse begleitet.

Dass es Julia heute wieder so gut geht, ist für mich das größte Glück meines Lebens. Wie sehr würde ich sie und all’ unseren Schabernack wohl missen, wenn es keine rechtzeitige Spende gegeben hätte!

Obwohl ich es schon längst hatte machen wollen, habe ich mir den Spender-Ausweis erst zugelegt, als Julia für die Transplantation gelistet und ins Paulinenkrankenhaus aufgenommen wurde.

Deshalb mache ich bei der Aktion sehr gerne mit: Vielleicht kann ich ja einen ganz kleinen Beitrag dazu leisten, dass auch andere Menschen handeln!“

8. Dezember: Chantal Bausch und das Team von Chantals Hockeyclub in Bremen

Chantal Bausch aus Bremen feiert heute ihren 25. Geburtstag. Und zugleich lebt sie ab heute länger mit ihrem „neuen“ Herz als mit ihrem „alten“: Denn vor genau zwölfeinhalb Jahren wurde Chantal am DHZB herztransplantiert. Wir wünschen Chantal alles Beste! Hier ist ihre Geschichte:

Ich bin als gesundes und sehr aktives Kind aufgewachsen, schon mit 5 habe ich angefangen Hockey zu spielen. Doch im Alter von 11 Jahren ging es mir von einem Tag auf den anderen plötzlich sehr schlecht: Ich fühlte ich mich plötzlich antriebslos und bekam beim Treppensteigen Luftprobleme. Nach wenigen Tagen hat mich ein Kardiologe untersucht und sofort den Notarzt gerufen. In der Bremer Klinik hatten sie wohl Sorge, dass ich die Nacht nicht überlebe, so kritisch war mein Zustand.
Die Diagnose: Myokarditis - eine Herzmuskelentzündung die mein Herz irreparabel beschädigt hat. Ich wurde ins Deutsche Herzzentrum Berlin verlegt.

Dort stand bald fest, dass eine Herztransplantation die einzige Möglichkeit sei, langfristig weiterzuleben. Um die Wartezeit auf ein geeignetes Spenderorgan zu überbrücken, wurde ich an ein Kunstherz angeschlossen. Dreieinhalb Monate verbrachte ich auf der Kinderstation im Deutschen Herzzentrum Berlin, bis am 8. Juni 2005 der erlösende Anruf kam und ich in den OP gebracht wurde.

Nach der Transplantation hatten die Ärzte noch mit Komplikationen zu kämpfen. Aber dann ging es aufwärts, ich konnte wieder am Leben teilnehmen und ein normales Kind sein. Mittlerweile habe ich mein Abitur gemacht und studiere an der Uni Bremen Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaft. Nebenbei stehe ich bei meiner Hockeymannschaft im Tor, wir spielen in der zweiten Bundesliga. Zudem spiele ich Tennis und Golf, gehe im Winter Skifahren und im Sommer segeln.

Seit 2013 nehme ich erfolgreich an Sportveranstaltungen für Transplantierte teil. Unter anderem konnte ich bei der Weltmeisterschaft 2013 im südafrikanischen Durban im Tennis-Doppel, bei der Ski-WM ein Jahr später im Parallelslalom und 2015 in Argentinien im Golf jeweils die Goldmedaille gewinnen. Durch meine Teilnahme an den internationalen Wettkämpfen für Transplantierte möchte ich zeigen, was durch eine Transplantation wieder möglich ist und dass ich wieder ein ganz normales Leben führen kann.
Mir geht es sehr gut – und die Dankbarkeit für meine zweite Lebenschance lässt sich kaum in Worten ausdrücken. Was ich aber tun kann, ist, mich für die vielen Menschen, die auf ein Organ warten, einzusetzen, indem ich mit meiner Geschichte an die Öffentlichkeit gehe.“

Für das Team von Chantal Bauschs Hockeyclub zur Vahr Bremen gilt: „Wir sagen Ja!“

Natürlich machen wir hier gerne mit, denn Organspende ist für uns eine ‚Herzensangelegenheit’. Unsere Torhüterin ist seit zwölf Jahren herztransplantiert und unser fester Rückhalt. Als 7-Meter-Killerin können wir uns immer auf Chanti verlassen.
Auch im 1-gegen-1 schreckt sie vor niemanden zurück und stürzt sich gerne kopfüber in die Gegenspieler. Dass sie mal schwer krank war, merkt man ihr heute nicht mehr an.
Ihre positive Art ist ansteckend und wir sind froh, dass sie ein Teil von uns ist. Wir würden uns wünschen, dass auch vielen anderen geholfen werden kann.

9. Dezember: Bettina Dorau und Hubert Knicker

Die Nacht zum ersten Januar 1995: Ein neues Jahr beginnt. Und für Bettina Dorau aus Berlin ein neues Leben. Denn in dieser Nacht wird die damals 21jährige herz-lungentransplantiert. Und lebt mit den Spenderorganen nun fast 23 Jahre.

Als der liebe Gott damals die Krankheiten verteilt hat, habe ich wohl ein paar Mal zu oft den Finger gehoben. Ich bin im März 1973 mit einem sehr schweren Herzfehler geboren worden, den man damals nicht behandeln konnte. Dazu kam dann eine schwere Wirbelsäulenverkrümmung, Abszesse am Gehirn und ein Schlaganfall – alles noch vor meinem zehnten Geburtstag.

Arztbesuche, Krankenhäuser, Physiotherapie, Schmerzen – das gehörte also zu meiner Kindheit und Jugend dazu. Vor allem durch den Herzfehler war ich körperlich sehr eingeschränkt. Aber vor allem dank der ungeheuren Kraft meiner Eltern konnte ich den Umständen entsprechend normal aufwachsen.  Als ich zehn Jahre alt war, ist meine Mutter mit mir ins evangelische Johannisstift nach Berlin-Spandau gezogen. In der behindertengerechten Schule dort habe ich den erweiterten Hauptschulabschluss geschafft und dann eine Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen.

Aber die musste ich abbrechen. Es hat mit meiner Belastungsfähigkeit einfach nicht gereicht.

Meine Eltern und ich waren schon ziemlich lange darauf vorbereitet, dass mich nur eine Organtransplantation retten könnte. Im Juli 1994 kam ich dann auf die Warteliste für Herz und Lunge, denn auch meine Lunge war durch die lebenslange Herzerkrankung bereits unheilbar geschädigt.

Ich habe damals in einer betreuten WG im Johannisstift gelebt. Es ging mir nicht gut, aber trotzdem wollten wir am Silvesterabend 1994 das Leben und die Hoffnung feiern.

Zwischen 18 und 19 Uhr kam dann der Anruf aus dem DHZB: Es gebe Organe. Mit dem Krankenwagen wurde ich in die Klinik gefahren. Kurz vor der Übergabe ans OP-Team hat mich wohl der Mut verlassen:  ’Mama, nimm mich wieder mit! ‘ habe ich wohl gerufen. Aber das hat die nicht gemacht. Zum Glück.

Es gab nach dem Eingriff heftige Komplikationen. Aber auf der Intensivstation haben sie den Kampf um mein Leben aufgenommen. Und gewonnen.

Was ich nie vergessen werde: Ein halbes Jahr nach der Transplantation habe ich mir den von Christo verhüllten Reichstag angeschaut.

Das ist jetzt schon alles sehr lang her. Ich lebe unabhängig in einer eigenen Wohnung, ich arbeite bei den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung, nur wenige hundert Meter vom DHZB entfernt.

Als ich geboren wurde, haben die Ärzte keine großen Hoffnungen gehabt, was meine Lebenserwartung angeht. Aber hier bin ich - und es geht mir saugut!

Auch Hubert Knicker wurde herztransplantiert, am Herzzentrum von Bad Oeynhausen in Nordrhein-Westfalen. Auf unseren Aufruf hin hat er sich aber bewusst als Träger eines Organspender-Ausweises gemeldet:

Am 24. Juli 2010 habe ich nach langer Krankheit mit der Herztransplantation meinen „zweiten Geburtstag“ gefeiert. Ich bin sehr dankbar und habe mich deshalb der Aufklärung
verschrieben. Ich finde, dass ich das meinem Retter ebenso schuldig bin wie den Ärzten und Pflegern, die immer für mich da waren.

Mit der großen Unterstützung meiner Frau spreche ich in Schulen, Kirchen, Unternehmen, Kliniken, Hochschulen oder Behörden von meinem „Fall“ und informiere so gut ich kann, denn immer wieder erlebe ich, wie viele offene Fragen die Menschen haben.

Ich möchte dabei niemanden überreden, sondern bei einer selbstbestimmten Entscheidung für oder auch gegen eine Organspende helfen. Hier erfahren Sie mehr, wenn Sie möchten: http://www.organpate-owl.de

Ich habe miterlebt, dass Menschen gestorben sind, die vergebens auf eine Transplantation gewartet haben. Und ich möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass so etwas in Zukunft weniger häufig geschieht.

10. Dezember: Karsten Holz und Ulla Kock am Brink

Vier Enkeltöchter halten Karsten Holz aus Nauen ordentlich auf Trab.  Die damit verbundene körperliche Aktivität ist für den 57jährigen kein Problem. Dank einer Herztransplantation im Februar dieses Jahres.

Ich bin im September 1960 in Nauen bei Berlin geboren und ganz in der Nähe auch aufgewachsen. Nach der Schule habe ich das Malerhandwerk bei der „Hochbaumeisterei Wustermark“ der Deutschen Reichsbahn gelernt und da auch gearbeitet. Reichsbahn-Wohnsiedlungen, Bahnhöfe, Stellwerke, das alles in Schuss zu halten war unser Job. Und der hat auch Spaß gemacht. Gut zwei Jahre nach der Wende war damit Schluss und es ging bei einem Privatbetrieb weiter.

Dass ich mal einen Herzinfarkt kriegen könnte, war gar nicht unwahrscheinlich: Vater, Tante, Onkel, Großmutter, alle hatten einen. Trotzdem habe ich an sowas nicht gedacht, als es mir Ende April 2010 plötzlich ziemlich schlecht ging. Erst am nächsten Morgen hat mich meine Frau gezwungen, zum Arzt zu gehen - und mir damit wohl das Leben gerettet. Denn ich wurde sofort per Rettungswagen und Hubschrauber ins Herzzentrum nach Bernau gebracht. Dort haben Sie mir vier Bypässe eingesetzt, später noch einen Defibrillator. Danach ging es auch erstmal ganz gut, aber meine Krankengeschichte war leider nicht beendet.  Anfang 2016 war mein Herz sehr schwach geworden und die Ärzte konnten nicht mehr viel tun. Ich wurde für eine Transplantation gelistet, aber Ende März war mein Zustand so schlecht, dass ich eine weitere Wartezeit wohl nicht überlebt hätte.

Ich bekam also ein Kunstherz eingesetzt. Aber schon nach wenigen Monaten gab es damit Probleme. Denn ich hatte eine Infektion. Um es kurz zu machen: Anfang Dezember war ich wieder im Paulinenkrankenhaus und auf der Warteliste für die Transplantation.

Und man muss ja auch mal Glück haben: Nicht mal drei Monate später, am 17. Februar 2017 gab es ein Angebot. Für heutige Verhältnisse also ziemlich schnell.

Die Sachen packen, hier noch ein Telefonat, da noch eine SMS, Verlegung ins DHZB, OP-Vorbereitung: Für Angst vor der OP hatte ich eigentlich gar keine Zeit.

Es war wohl kein ganz einfacher Eingriff bei mir, jedenfalls hat es sehr lange gedauert, wie ich heute weiß. Und auch erholt habe ich mich nicht besonders schnell. Aber dafür gründlich! Heute geht es mir sehr gut – und ich bin glücklich. Fahrradfahren, Hanteltraining, Gartenarbeit, Urlaubsreisen - alles wieder drin bei mir! Und vier Enkeltöchter habe ich schon. Die halten mich ordentlich auf Trab. Aber ich wünsche mir natürlich noch mehr. Und es dürfte auch mal ein Junge sein.

Bypässe, Kunstherz, Transplantation, immer wieder Klinik und auch immer wieder Rückschläge - ohne den Beistand und die Liebe meiner Familie hätte ich das alles sicher nicht durchgestanden. Und ja, ich denke auch oft an den Spender. In großer Dankbarkeit.

Ich wünsche allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Paulinenkrankenhauses und des Deutschen Herzzentrums Berlin eine schöne Weihnachtszeit, frohe Festtage und ein gutes Neues Jahr!

Ich habe mich in beiden Häusern perfekt aufgehoben gefühlt, das gilt für alle Stationen. Die Arbeit der Ärzte, die menschliche Betreuung – das ganze Paket hat gepasst.

Dafür Danke – von ganzem Spenderherzen!"

Unsere heutige „Ausweisträgerin des Tages“ ist Ulla Kock am Brink: Die TV-Moderatorin ist seit vier Jahren offizielle Botschafterin der Herzfreunde, dem Verein zur Unterstützung der klinischen Arbeit und der Forschung am DHZB:

"Als ich gefragt wurde, ob ich das Ehrenamt der Herzfreunde-Botschafterin übernehmen würde, habe ich keine Sekunde gezögert. Die Mediziner und Pflegekräfte leisten Großartiges, das wird mir bei jedem Besuch in der Klinik bewusst. Und es ist selbstverständlich, dass ich mich längst auch mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt habe. Für mich gab es da nie einen Zweifel: Ich sage Ja!"

11. Dezember: Hartwig Gauder und Cindy Gill

Hartwig Gauder wurde 1954 in Vaihingen nördlich von Stuttgart geboren, aber schon sechs Jahre später sind seine Eltern nach Ilmenau gezogen - seine Mutter hatte dort ein Haus geerbt.

Am Rand des Thüringer Waldes gibt es für sportliche Betätigung jede Menge Möglichkeiten. Entsprechend aktiv bin ich aufgewachsen und wurde schließlich auch an der Kinder- und Jugendsportschule Erfurt aufgenommen. Etwa mit 16 habe ich mich aufs Gehen als Sportart konzentriert.

Beim SC Turbine Erfurt begann meine Erfolgsgeschichte, auf die ich durchaus stolz bin. Denn über die 50-Kilometer-Distanz gewann ich eigentlich alles, was es zu gewinnen gibt: Weltmeisterschaft, Europameisterschaft, DDR- und schließlich gesamtdeutsche Meisterschaft, die Goldmedaille bei den olympischen Spielen 1980 in Moskau.

Bei den Weltmeisterschaften 1993 in Stuttgart habe ich meine Profi-Laufbahn beendet. Trotzdem habe ich natürlich sportlich aktiv weitergelebt, bis ich im Herbst 1994 einen deutlichen Leistungsabfall hatte.

Zuerst habe ich das noch auf nachlassende Trainingsintensität im Vergleich zu meiner Profi-Karriere geschoben. Aber ich wurde immer schlapper und müder. Ich hatte Architektur zu studieren begonnen und bin beim Zeichnen manchmal von einer Minute auf die andere eingeschlafen.

Ich habe lange dagegen angekämpft, erst im März 1995 bin ich zum Arzt gegangen. Die Diagnose war dann ein ziemlicher Schock: Die Leistung meines Herzens lag bei 30 Prozent des Normalwertes, später dann bei nur noch 16 Prozent. Ursache war wohl eine bakterielle Infektion, die ich mir bei einer studentischen Aufgabe beim Vermessen einer ehemaligen Geflügelmast der sowjetischen Armee eingefangen hatte.

Mir wurde 1996 zunächst ein Kunstherz eingesetzt, ich hatte die Hoffnung, dass mein Herz sich durch diese Entlastung wieder erholt. Doch dann kam es zu einer Infektion. Die Herztransplantation war damit meine letzte Möglichkeit zu überleben. Die Entscheidung dazu ist mir nicht leicht gefallen.

Gut ein Jahr habe ich gewartet. Bis am 30. Januar 1997 eine Ärztin zu mir kam: „Gauderchen, wir haben was.“

Als ich nach der Operation wach wurde, habe ich in mich hineingehört, den Herzschlag gehört und mir gesagt: Das passt. Von der ersten Sekunde an, die ich mit dem Spenderherzen erlebt habe, waren wir ein Team.

Es ist dann schnell bergauf gegangen. Ich habe so bald wie möglich wieder angefangen zu trainieren. Und stand anderthalb Jahre nach der Transplantation als Geher am Start für den New York Marathon. Mit meinem „dritten Herzen“ habe ich auch mein Architektur-Studiukm abgeschlossen.

2003 habe ich als erster Mensch mit einem transplantierten Herzen den Fuji-San, den höchsten Berg Japans bestiegen.

Ja, auch nach der Transplantation gab es medizinische Rückschläge. Aber ich habe eben immer wieder von vorne angefangen. Bis heute treibe ich Sport, ich walke, spiele Golf, ich schwimme.

Ich habe sechs Bücher geschrieben, ich gebe Seminare über Krisenbewältigung durch die richtige Motivation. Ich unterstütze das Thema für Organspende durch den „Verein Sportler für Organspende“ www.vso.de und einen Verein zur Unterstützung von Familien mit Organtransplantierten Kindern “Kinderhilfe Organtranspantation“ www.kiohilfe.de.

Denn ich will etwas weitergeben von meiner Geschichte.

Dem unbekannten Spender meines Herzens und seiner Familie, den Ärzten und Pflegekräften, ich bin vielen Menschen zu Dank verpflichtet.
Aber dass es mir so gut geht heute, das habe ich vor allem meiner Frau zu verdanken. Sie bremst mich oder treibt mich an, sie versteht mich und sie war und ist immer ganz nah bei mir.

Wegen ihr kann ich trotz meiner Krankengeschichte schon jetzt ein Fazit ziehen: Ich bin ein Glückspilz!

Cindy Gill leitet das Ronald McDonald Haus Berlin-Wedding. Seit 1998 finden dort jährlich über 500 Familien ein Zuhause auf Zeit, während ihre schwer kranken Kinder im nahe gelegenen Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) oder der Charité Campus Virchow-Klinikum behandelt werden.
Im Ronald McDonald Haus haben die betroffenen Familien Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen, sie finden Hilfe, Rat und Beistand. Ganz in der Nähe ihres Kindes können sie den Klinikalltag für ein paar Stunden hinter sich lassen und so die nötige Kraft für die Betreuung der kleinen Patienten schöpfen.

„Durch meine Tätigkeit habe ich schon viele Kinder kennengelernt, die im Deutschen Herzzentrum Berlin auf eine Spende von Herz und/oder Lunge gewartet haben. Und natürlich auch ihre Eltern. Wer einmal die Sorge und das manchmal jahrelange Warten dieser Familien miterlebt hat, wird dem Thema Organspende nicht mehr gleichgültig gegenüberstehen. Ich würde bestimmt nicht sagen, dass jeder einen Spenderausweis tragen muss. Aber für mich persönlich gibt es keinen Zweifel: Ich sage ja!

12. Dezember: Stefan Sichelschmidt und Juliane Behnfeldt

„Was auch passiert ist: Ich bin immer wieder aufgestanden“ sagt Stefan Sichelschmidt (53) aus Berlin. Und wieder aufstehen musste er in den letzten Jahren oft genug. Herzstillstand, Reanimation, fast acht Jahre lang Leben mit einem Kunstherz. Am 31. Mai 2017 wurde Stefan Sichelschmidt schließlich herztransplantiert. Hier ist seine Geschichte:

„Ich wurde am 08.09.1964 in Königswinter bei Bonn geboren. Mein Vater hat für das Auswärtige Amt gearbeitet, ich bin in verschiedenen Ländern aufgewachsen, was mich geprägt hat. Auch ich habe 1983 beim Auswärtigen Amt angefangen. Und bin sehr viel herumgekommen, habe unter anderem in Österreich, Ungarn, Kanada und Südkorea gelebt.

2007 habe ich geheiratet, meine Frau Iulia hat einen Sohn mit in die Ehe gebracht, kurz darauf wurde unsere Tochter Mascha geboren. Wir waren in Berlin, aber dann stand wieder eine Versetzung an – nach Los Angeles.

Meine Frau war dort gerade auf Wohnungssuche. Ich hatte die Kinder in den Kindergarten und zur Schule gebracht und hatte noch einen Termin beim Hausarzt. Dort bin ich zusammengebrochen. Als meine Frau am Nachmittag wieder in Berlin gelandet ist, hatte ich bereits zwei Herzstillstände hinter mir und wurde gerade im DHZB operiert.

Mir musste ein Kunstherz implantiert werden. Erst nach zwei Monaten bin ich aus dem künstlichen Koma wieder aufgewacht. Ich hatte überlebt. Aber das Leben mit so einem Kunstherz schien mir nicht mehr lebenswert.

Dank meiner Therapeuten, vor allem aber dank meiner Familie habe ich da herausgefunden. „Du bist am Leben, du hast Verantwortung für zwei Kinder, also kneife gefälligst Deine Hinterbacken zusammen und mach' was draus“, habe ich mir gesagt.

Eine große Inspiration für mich waren die Rollstuhlfahrer und Handbiker beim Marathon 2013 in Berlin. Ich war so beeindruckt von diesen Menschen, dass auch ich zeigen wollte, was man als herzkranker Mensch leisten kann.

Ich habe im April 2015 am RBB Lauf als „Walker“ teilgenommen, ich war im Mai beim 60 Kilometer-Fahrradrennen „Velothon“ dabei. Und wollte beim Berlin-Marathon als Inline-Skater mitmachen. Mein Kunstherz hatte inzwischen sechs Jahre gut funktioniert. Doch dann wurde festgestellt, dass eine Art Dichtung des Geräts an meinem Herzen erneuert werden musste. Nach der OP kam es dann leider zu Komplikationen. Ich brauchte ein neues Kunstherz. Und mit dem Marathon war es natürlich nichts.

In ein psychisches Loch gefallen bin ich aber nicht mehr. Zusammen mit den Ärzten habe ich mich da durchgekämpft und wieder angefangen zu arbeiten. Ich hätte als Beamter längst in Frühpension gehen können, aber das wollte ich nicht. Und mein Arbeitgeber hat immer hundertprozentig hinter mir gestanden, wofür ich sehr dankbar bin.

Schließlich musste ich dann doch für eine Herztransplantation gelistet werden. Trotz meiner Einstufung als hochdringlicher Patient wartete ich 9 Monate lang im Paulinenkrankenhaus auf ein passendes Spenderorgan. Am 31. Mai 2017 war es dann soweit.

Doch wieder war der Weg zurück ins Leben nicht einfach. Nach diversen Rückschlägen konnte ich erst Ende September aus dem DHZB in die Reha-Klinik entlassen werden. Und dann nach Hause. Endlich.
„Unsere größte Schwäche liegt im Aufgeben. Der sichere Weg zum Erfolg ist immer, es doch noch einmal zu versuchen.“ Das hat der Erfinder Thomas Alva Edison einmal gesagt. Und das ist mein Motto geworden.

Wie schon in meiner Zeit als Kunstherzpatient halte ich viele Vorträge und das inzwischen sogar weltweit. Und ich betreue weiterhin auch andere Kunstherz-Patienten und deren Familien.

Was auch passiert ist: Ich bin immer wieder aufgestanden. Dank den Ärzten, Therapeuten und Pflegern am DHZB, dank meinen Freunden, meines Arbeitgebers. Und vor allem dank meiner wunderbaren Frau Ioulia und meiner Kinder Max und Mascha.

Wollt ihr mehr erfahren, dann geht auf meine Webseite und/oder auf Facebook "marathon mit kunstherz" oder gebt einfach auf Google "stefan sichelschmidt" ein. Ihr findet mich!

Unsere Ausweisträgerin des Tages ist Juliane Behnfeldt, Unternehmerin aus Berlin:

"Ich bin Organspender, weil es jeden treffen kann...weil auch geliebte Menschen und Familie betroffen sein können!“

13. Dezember: André Mony und Peter Fissenewert

Nach einer Herzkatheter-Untersuchung liegt André Mony aus Berlin zur Überwachung für eine Nacht im DHZB auf der Transplantationsstation H3. Ausgerechnet hier nahm seine Erkrankung seinen Anfang – während seines Zivildiensts. André Monys Geschichte zeigt, dass nicht jede Transplantation langfristig glückt. Warum es ihm heute dennoch gut geht, das erzählt er uns hier:

„Ich bin im Juli 1973 in Berlin geboren und hier auch aufgewachsen. Als Jugendlicher war ich sehr aktiv, habe Leichtathletik auf Leistungssportniveau gemacht. Bis dann eben im Leben eines Jugendlichen auch andere Dinge wichtig werden als nur das Training. Ich habe dann die Ausbildung zum Maurer gemacht. Im Jahr 1993 war ich damit fertig. Später sollte ich zum „Bund“: Den Grundwehrdienst habe ich noch ableisten müssen. Aber danach ging’s mit Zivildienst weiter. Auf der Station H3 im Deutschen Herzzentrum Berlin.

Ausgerechnet hier fingen die Beschwerden an: Leistungsabfall, Müdigkeit. Als Zivi im DHZB hatte ich es bis zu einer guten Untersuchung ja nicht weit. Die Diagnose war hart: Eine Herzmuskelschwäche, ebenso plötzlich wie rätselhaft. Denn die genaue Ursache kennt bis heute niemand. Meine Herzleistung lag jedenfalls nur noch bei 15 Zuerst hat man das mit Medikamenten in den Griff bekommen. Jahrelang habe ich ganz gut gelebt. Obwohl mit dem Maurerhandwerk natürlich Schluss war und ich berentet werden musste.

Allmählich ging’s aber begab. Um das DHZB habe ich dennoch einen Riesenbogen gemacht: ‚Wenn ich dort hingehe, dann listen die mich für eine Transplantation’, habe ich gedacht. Und davor hatte ich große Angst. Deshalb war ich auch erstmal in einer anderen Klinik, als es richtig schlecht wurde.  Aber letztendlich haben die mich dann ins DHZB überwiesen – zur Transplantation.

Im Sommer 2000 kam ich auf die Hochdringlichkeits-Liste, nach gut einem Jahr wurde ich transplantiert. Danach gab es Abstossungs-Reaktionen, die sich dann aber in den Griff bekommen ließen. Ich arbeite hobbymäßig gerne als DJ, das ging dann auch irgendwann wieder. In einem Club habe ich dann auch meine zukünftige Frau kennengelernt. Wir haben zwei Kinder miteinander bekommen - voller Zuversicht. Doch dann wurde klar, dass mein Spenderherz nicht mehr lange mitmacht. 2007 wurde ich für eine erneute Transplantation gelistet, mit „normaler“ Dringlichkeit. 2011 kam ich dann wieder auf die HU-Liste, also „High Urgency“ – hochdringlich. Für Herz und Niere. Denn auch meine Nieren waren, salopp gesagt, hinüber.

Gut ein halbes Jahr habe ich gewartet. Und währenddessen im Paulinenkrankenhaus geheiratet. Wir wollten das ohnehin längst tun. Aber jetzt ging es auch um die Absicherung meiner Familie.  Dann war es soweit. Ich war froh. Aber ja, ich hatte auch Angst. Ich wusste, eine Re-Transplantation ist schwierig. Und eine Doppel-Transplantation erst recht. Am Ende ist alles gutgegangen. Trotz einiger schwerer Rückschläge, die da noch kamen. Mir geht es gut, ich kann für meine beiden Jungs da sein. Ich arbeite nebenher als Hausmeister in unserem Wohnhaus. Und als DJ lege ich auch noch ab und zu auf. Ich spreche eigentlich nicht gerne über meine Krankheit und meine Transplantation. Aber wenn ich dazu beitragen kann, dass die Leute eine Entscheidung treffen, dann mache ich gerne eine Ausnahme. Denn während meiner Wartezeit habe ich Menschen kennengelernt, die gestorben sind, weil das Organ nicht kam. Und das war bitter.

Prof. Peter Fissenewert, Rechtsanwalt aus Berlin, ist seit 13 Jahren Präsident der „Gesellschaft der Freunde des Deutschen Herzzentrums Berlin e.V.“, kurz und einfach auch: Herzfreunde. Seit fast 30 Jahren unterstützt dieser Verein die Arbeit, Weiterbildung und Forschung der Mediziner am DHZB.  Schon häufig wurden mit Hilfe der Herzfreunde aber auch Kinder aus dem Ausland operiert, in deren Heimatländern ein lebensrettender Eingriff nicht möglich gewesen wäre. 

„Mein Ehrenamt nehme ich mit großer Freunde und ganzem Herzen wahr – und ich bin durchaus auch ein bisschen stolz, für dieses Zentrum einstehen zu dürfen. Und ich sage Ja zur Organspende!“

14. Dezember: Ulrike Saß und Maik Meuser

Angesichts des Mangels an Organspenden und entsprechend immer längeren Wartezeiten ist die Geschichte von Ulrike Saß aus Cottbus eine kleine Sensation: Die 62jährige hat etwa 12 Stunden auf Ihr Spenderherz gewartet. Das war vor nicht mal drei Wochen. Heute wird Ulrike Saß aus dem DHZB entlassen.

Ich bin 1955 in Bautzen geboren, aber in Cottbus aufgewachsen.
Von 1972 bis 1974 habe ich die Ausbildung zur Textillaborantin gemacht und dann im Textilkombinat in Cottbus gearbeitet. Mein Traum war eigentlich immer, Lehrerin zu werden, aber das ging damals nicht, wegen Knoten auf den Stimmbändern und entsprechend häufiger Heiserkeit. Da war man damals streng. In die Pädagogik habe ich es aber dennoch geschafft, ich wurde Hort-Erzieherin an einer Sonderschule für Lernbehinderte.

1978 habe ich geheiratet, zwei Jahre später kam unsere Tochter Grit zur Welt.

Nach meiner Elternzeit habe ich bis kurz nach der Wende am Hort der Sonderschule weitergemacht, dann fiel meine Stelle leider Einsparungsmaßnahmen zum Opfer. Ich wechselte zur Stadt Cottbus als Sozialarbeiterin. Zuerst in der Jungendrechtshilfe, wo man sich um jugendliche Straftäter kümmert, danach betreute ich die Eingliederung und das Leben von Kindern bei Pflegeeltern.

Mein beruflicher Werdegang wurde aber leider mehrfach durch Krankheit unterbrochen.
Im August 2003 fing alles an: Mit einem Knoten in meiner Brust. Die schlimmste Befürchtung wurde leider wahr, ich hatte Krebs und musste operiert, bestrahlt und Chemo-therapiert werden. Die Behandlung war erfolgreich. Die Krankheit kam nicht zurück und ich galt als geheilt.

Erst 2008 wurde festgestellt, dass wohl die Chemotherapie mein Herz sehr schwer geschädigt hatte – als ich wegen starker Ermüdung und Atemnot zum Arzt gehen musste. In den folgenden Jahren konnte die Herzmuskelschwäche noch mit Medikamenten behandelt werden.

Ausgerechnet auf dem Heimweg von der Silvesterfeier zu Beginn dieses Jahres bin ich dann aber zusammengebrochen. Und Sie können mir glauben: Es lag nicht an zu viel Alkohol. Ich wurde sofort ins Herzzentrum Cottbus gebracht und konnte auch wieder entlassen werden.

Ich mache es kurz: nach mehreren Klinikaufenthalten in Cottbus, dem DHZB und im Paulinenkrankenhaus wurde ich am 17. November wieder im DHZB aufgenommen und am 22.11. bei Eurotransplant in als hochdringlich auf die Warteliste gesetzt. „Hochdringlich“ – das kann ja heutzutage dennoch viele Monate Wartezeit bedeuten. Und darauf war ich eingestellt.

Um drei Uhr nachts kam die Schwester ins Zimmer. Es sei soweit.
‚Da müssen Sie sich im Zimmer irren, ich bin erst seit gestern auf der Liste’ habe ich noch geantwortet. Dann haben sie mich vorbereitet für die OP.  Meine nächste Erinnerung ist das köstliche kühle Eis auf der Intensivstation.

Gesundheitlich ging es schnell wieder aufwärts. Seelisch allerdings hat es mir sehr hart zugesetzt, dass ein Mensch sterben musste, damit ich weiterlebe. Ich weiß schon, dieser Mensch wäre ohnehin gestorben. Aber ist dieser Gedanke sehr traurig. Ich lerne aber immer besser damit umzugehen.

Wenn dieser Text erscheint, werde ich aus dem Deutschen Herzzentrum Berlin entlassen und gehe in die Reha-Klinik.

Ich würde gerne besser ausdrücken können, wie geborgen und gut behandelt ich mich im Paulinenkrankenhaus und im Deutschen Herzzentrum Berlin gefühlt habe, ausnahmslos immer und menschlich wie fachlich; welchen Respekt ich vor der Arbeit aller Menschen habe, die den Weg zurück ins Leben für mich möglich gemacht haben, ob Ärzte, Pflegekräfte oder Physiotherapeuten.

Aber dafür fehlen mir die Worte. Und ich beschränke mich deshalb auf ein einziges:

Danke.

Unser Ausweisträger des Tages ist Maik Meuser, Journalist und TV-Moderator. Nach vielen Jahren als Autor, Reporter und Redakteur bei ARTE und der Deutschen Welle moderiert Meuser heute das RTL Nachtjournal und die Hauptnachrichtensendung RTL aktuell:

"Es gibt viele Dinge, über die möchte man nicht nachdenken. Der eigene Tod gehört dazu. Das kann ich verstehen. Ist auch nicht mein Lieblingsthema. Aber wenn man einen Schritt zurück macht und weiß, dass man Leben retten kann, oder zumindest Leben immens erleichtern kann, nur indem man diesen kleinen Ausweis bei sich trägt – dann bleibt die Erkenntnis: Hey, jeder kann aus sich selbst am Ende noch einen Superhelden machen. Mehr geht nicht! Also: Machen Sie mit!"

15. Dezember: Thomas Kraft und Jörg Wontorra

Er heißt Thomas Kraft und er stammt von der Küste: „Mit voller Kraft voraus“ ist damit wohl ein passendes Motto für seine Genesung nach der Herztransplantation. Denn nur gut fünf Monate nach der OP am 29. Dezember 2012 hat der heute 49jährige wieder seinen Vollzeitjob aufgenommen. Und bis heute behalten.

„Ich bin 1968 in Kiel geboren und dort auch aufgewachsen. In meiner Jugend habe ich viel Sport getrieben. Ich war auch Rettungsschwimmer bei der DLRG und habe als Rettungshelfer gearbeitet.

Nach der Schule habe ich bei der Deutschen Bahn die Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert. Aber dann habe ich bald mein Hobby zum Beruf gemacht und als Rettungsassistent gearbeitet.

Wegen häufiger Luftnot und körperlicher Abgeschlagenheit bin ich 1998 an der Uniklinik Kiel untersucht worden. Die Diagnose: Schon vor vielen Jahren hatte eine unbemerkte Entzündung meinen Herzmuskel wohl stark und unwiderruflich beschädigt.

Als Rettungsassistent konnte ich nicht mehr weiterarbeiten und habe im IT-Bereich neu angefangen. Anfang 2000 bin ich nach Berlin gezogen und habe dort meine Brötchen verdient. Im Herbst 2004 wollte dann mein Herz nicht mehr und ich bin auf offener Straße zusammengebrochen. Mit dem Rettungswagen ging es ins Krankenhaus und mir wurde mein erster Defibrillator im Deutschen Herzzentrum eingesetzt.

Von da an wurde ich engmaschig in der Transplantationsambulanz das DHZB betreut und konnte ganz gut weiterleben.

Bis zum Dezember 2009: Da musste ich wegen meiner Herzerkrankung zum ersten Mal operiert werden. Es folgten die ersten von vielen Weihnachts- und Silvesterfesten, die ich im Krankenhaus verbringen musste… Aber immer an meiner Seite: meine Frau und die Familie! Ohne sie hätte ich das auch alles psychisch nicht so gut – wenn überhaupt – durchgestanden.

Im Oktober 2011 kam ich auf die Warteliste für eine Herztransplantation, allerdings noch ohne Hochdringlichkeit-Status.
Bei einer Routineuntersuchung im Frühjahr 2012 stellte sich allerdings heraus, dass der Defibrillator, also das in meiner Brust eingesetzte „Elektroschock-Gerät“, zwölfmal ausgelöst hatte. Ich hatte davon nie etwas mitbekommen, weil ich vorher wohl stets kurzzeitig bewusstlos geworden war. Leider zum Leidwesen meiner Frau, denn sie hat immer alles geschockt mitbekommen und sich in diesen Minuten um mich gekümmert. Im Juni 2012 kam ich auf die Hochdringlichkeitsliste für die Transplantation.

Die Leistung meines Herzens war auf 10 % des Normalwerts gesunken. Die Wartezeit begann. Ich wusste, wenn ein Spenderorgan nicht rechtzeitig gefunden wird, werde ich sterben. Ich habe mit meiner Frau über alles geredet, alle Vorsorgeformalitäten genau abgeklärt. Darüber wurde ich zunehmend ruhiger und entspannter.

Am 29. Dezember 2012 gab es ein Spenderherz. Als ich meine Frau nachts angerufen habe, meinte sie, sie habe es schon am Klingeln gehört, was dieser Anruf bedeute. Sie eilte sofort ins DHZB und war noch vor mir vor Ort. Denn ich musste aus dem Wartekrankenhaus – der „Pauline“ – erst dorthin gefahren werden. Die Operation fing um 7:00 Uhr morgens an und war kurz vor 13:00 Uhr schon beendet. Vom Abklemmen meines kranken Herzens bis zum ersten Schlag meines neuen Herzens hat es wohl nur 90 Minuten gedauert. Professor Knosalla und sein Team haben wohl sehr schnell gearbeitet.

Und in diesem Tempo ging es weiter: Denn schon am 31. Dezember war ich wach,  musste nicht mehr künstlich beatmet werden und konnte mir das Silvesterfeuerwerk durchs Fenster ansehen. Das werde ich nie vergessen.
Zehn Tage später wurde ich auf die H3-Station verlegt, dann ging es in die Reha.

Nach nur 5 Monaten, am 9. Mai 2013 habe ich wieder regulär und in Vollzeit zu arbeiten begonnen.  An jedem 29. Dezember gehe ich in die Kirche und zünde für meinen Spender und dessen Familie eine Kerze an. Ich sehe das so:  Mit der Spende habe ich auch den Auftrag bekommen, alles dafür zu tun, dass es diesem Herzen gut geht und dass es noch lange weiterschlägt.
Also lebe ich sehr aktiv und sehr bewusst. Ich habe zwei Enkeltöchter und zwei Enkelsöhne, die meine ganze Freude sind.

Natürlich muss ich regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen. Da frage ich schon oft nach und will alles ganz genau wissen. Aber so gut, wie es mir geht, würde ich dennoch sagen:

Ich bin ein angenehmer Patient!“

„ARD-Sportschau“, „Ran!“ aus SAT1  – wer sich im TV auch nur ein bisschen für Fußball interessiert, kam und kommt an Jörg Wontorra eigentlich nicht vorbei. In seiner neuen Show „Wontorra – der Fußball Talk“ diskutiert der prominente Sportjournalist jetzt an jedem Bundesliga-Wochenende sonntags von 10:45 Uhr bis 12:30 Uhr mit seinen Gästen über das aktuelle Fußball-Geschehen. Frei empfangbar übrigens! Das folgende dürften über Jörg Wontorra nur wenige wissen:

„Durch meinen Journalisten-Kollegen Hans-Wilhelm Gäb (ehemaliger deutscher Meister im Tischtennis und seit 1994 Lebertransplantiert) bin ich seit zwanzig Jahren Mitglied in den Vereinen Sportler für Organspende e.V. und Kinderhilfe Organtransplantation e.V.

Ich sage ja!“

16. Dezember: Sebastian Frenzel und Pascal Andres

Dass es bergab und bergauf geht, manchmal leider in häufigem Wechsel – das haben alle Patienten unserer Aktion zum 50. Jahrestag der ersten Herztransplantation gemeinsam. Bei Sebastian Frenzel aus Dresden ist das aber wörtlich zu verstehen. Denn der heute 35jährige liebt das Wandern und Klettern in den Bergen. Vor und nach seiner Transplantation im Februar 2015. 

Am 26.11.1982 wurde ich geboren und wuchs in einer kleinen Stadt in Brandenburg auf.
Als Kind hatte ich mit vielen Erkrankungen die mich oft ins Krankenhaus brachten zu kämpfen, unter anderem wiederholte schwere Bronchitis, Leistenbruch und Gehirnhautentzündung.  Meine Eltern erzählten mir, ich hätte oft mehr Zeit im Krankenhaus verbracht als zu Hause.

Dies endete aber, als ich in die Schule kam. Nur mein Puls war mit 100 bis 120 noch sehr hoch, was aber nicht behandelt wurde, da keine anderen Veränderungen am Herzen diagnostiziert wurden.

Ende November 1997 fühlte ich mich zusehends schwächer. Ich konnte nicht mehr mit dem Fahrrad zur Schule fahren, weil es zu anstrengend wurde. Also ging ich zu Fuß, aber auch das wurde immer schwerer – auf einer Strecke von gerade mal 800 Metern musste ich dreimal Pause machen, weil ich keine Luft mehr bekam.

Nachts konnte ich nicht mehr im Liegen schlafen, sondern nur aufrecht in die Ecke gelehnt, weil ich so besser Luft bekam. Die Hausärztin konnte sich aus den Ergebnissen der Untersuchungen keinen Reim machen und hat mich im Krankenhaus in Ludwigsfelde angemeldet.

Dort fiel der Verdacht zuerst auf eine Lungenentzündung und Gelbsucht, weil die Lunge beim Röntgen fast vollständig schwarz war und ich gelbe Augen hatte. Zwei Tage später wurde im Herzultraschall endlich die Ursache für all meine Symptome gefunden: Mein Herzmuskel war stark vergrößert und mein Herz arbeitete nur noch zu 8 Prozent.

Ich wurde schnellstmöglich nach Berlin ins Benjamin-Franklin-Klinikum verlegt, wo ich dann ein paar Monate verbrachte. Am 23. Dezember 1997 wurde meinen Eltern beim Arztgespräch erklärt, dass ich wohl um eine Herztransplantation nicht herum kommen werde. Sie durften mich über Weihnachten und Sylvester noch einmal mit nach Hauue nehmen, aber an Neujahr musste ich wieder ins Krankenhaus.

Kurze Zeit später hatte ich meinen ersten Termin im DHZB, in der TX-Ambulanz.
Eigentlich wollte man mich nach den ersten Untersuchungen auf die Transplantationsliste setzen, die Ärzte entschieden sich dazu doch noch einmal zu warten.

Meinen Schulabschluss konnte ich nur durch den großen Einsatz meines Schuldirektors und der Lehrer absolvieren, die mich von da an zu Hause unterrichteten. Dafür bin ich sehr dankbar.

Bevor ich eine Ausbildung im September 1999 beginnen wollte, wurde im Rahmen einer Studie des DHZB bei mir eine sogenannte Immunadsorption durchgeführt: Dabei werden die Antikörper, die gegen das Herz arbeiten, herausgefiltert. Diese Behandlung brachte meinem Herzen noch einmal einen Leistungsschub und von da an hatte ich stabil 25-30% Herzleistung. Der Herzmuskel war aber immer noch stark vergrößert.

Ich konnte nun ein relativ normales Leben führen, ich machte meine Ausbildung, fing an zu arbeiten und 2007 begann ich auch Sport zu machen, erst Radfahren, dann Bergsteigen. Ich habe ohne große Schwierigkeiten sogar den 3.001 m hohen Kesselkogel in den Dolomiten bestiegen. Später kamen dann noch Klettern und Gleitschirmfliegen dazu. Ich fühlte mich, als könnte ich trotz des schwachen Herzens ewig leben.

Mit einer Bronchitis, die ich mir Ende 2013 eingefangen hatte, kam der Rückschlag. Von da an ging es schnell bergab. Am 5. März 2014 ließ ich mich ins Krankenhaus bringen, einen Tag später war ich im DHZB. Dort wurde schnell klar, dass ich ohne eine Transplantation nicht mehr lange durchhalten werde. Ich durfte noch einmal für zwei Monate nach Hause, aber dann wurde ich hochdringlich gelistet und Ende Juli 2014 im Paulinenkrankenhaus aufgenommen.

Die Wartezeit vertrieb ich mir mit dem Bau einer Modeleisenbahn.

Am 17. Februar 2015 um 22 Uhr kamen die Schwestern in mein Zimmer und sagten, es gehe los. Meine Reaktion war „nee, nicht wirklich, oder?“ Doch von nun an ging alles sehr schnell, ich rief meine Eltern und meine Schwester an, denn sie wollten vor der Transplantation unbedingt ins Herzzentrum kommen.

Um ca. 5 Uhr am 18. Februar begann die Transplantation und um 12 Uhr hatten die Ärzte und ich es geschafft.

Mein neues, zweites Leben hatte begonnen. Anfangs etwas holprig, denn die Nieren wollten nicht so, wie sie sollen. Nach 9 Wochen auf der H3 vom DHZB ging es für 5 Wochen in die Reha. Erst nach fast einem Jahr war ich wieder zu Hause und konnte im eigenen Bett schlafen. Das war toll.

Ganz langsam ging es wieder bergauf, im wahrsten Sinne des Wortes, denn im August 2015 war ich das erste Mal wieder in den Bergen und konnte da auch schon wandern gehen.

2016 musste ich wiederholt wegen schwerer Infekte und einer schweren Gürtelrose ins Krankenhaus. Ich finde aber, das ist ein relativ geringer Preis dafür, dass ich weiterleben kann.

Eine weitere große Veränderung stand im August 2016 an, ich zog von Potsdam nach Dresden, ein Wunsch den ich schon lange vor meiner Transplantation hatte. Nun habe ich die Sächsische Schweiz direkt vor der Haustür und kann immer, wenn es mir gut geht und ich Lust habe, raus zum Wandern und Klettern in die zauberhafte Sandsteinwelt.

Ich habe auch wieder mit dem Gleitschirmfliegen begonnen und im Oktober 2017 endlich meine Lizenz erworben.

Auch wenn es immer wieder Rückschläge und schwere Zeiten gibt, bin ich sehr glücklich mit meinem neuen zweiten Leben.

Ich danke herzlichst meinem Spender. Weiter danke ich allen Ärzten, Schwestern, Pflegern und Angestellten des Deutschen Herzzentrums Berlin und dem Paulinenkrankenhaus.

Ohne meine Eltern, meiner Schwester und meinen vielen guten Freunden hätte ich die schweren Zeiten nicht überstanden, ich danke euch von ganzen Herzen.

Nun bin ich sehr gespannt was die Zukunft für mich bringt.

Unser heutiger Ausweisträger des Tages ist Pascal Andres (24), Schauspieler und Filmemacher aus Berlin.

Es gibt viele Gründe warum für mich das „Ja“ zur Organspende die einzig vernünftige Antwort ist, allem voran jedoch ein entscheidender Gedanke: Was kann es Größeres geben als dass die letzte Handlung nach dem eigenen Tod ist, das Leben eines anderen Menschen zu retten?

Schon früh wurde mir ein Bewusstsein für die Dringlichkeit der Organspende geschaffen. Sowohl durch meine Mutter Christine Andres, die sich als fachärztliche Internistin selbst täglich am Deutschen Herzzentrum mit voller Kraft für das Leben ihrer Patienten einsetzt, als auch durch einen engen Freund den ich leider viel zu früh verlieren musste, da dieser mit 22 Jahren einer Herzinsuffizienz erlag.

Nichts ist wichtiger als die Gesundheit. Im Stress des Alltags wird uns das selten bewusst, aber unsere tägliche Lebensqualität hängt von unserer Mobilität ab, von unserer Ausdauer und unserer Konzentrationsfähigkeit. Wenn das verloren geht, geht auch viel an Lebensfreude verloren. Es kann leider jedem passieren, dass die Lebenssituation schlagartig auf den Kopf gestellt wird, ob vorher gesund oder nicht, aber dann ist es ganz wichtig sich systematisch wieder hoch zu kämpfen und das Leben nicht aufzugeben! Wenn man jedoch auf Grund einer Organschwäche ans Bett gebunden ist hat man selbst leider wenig Einfluss auf den weiteren Lauf des eigenen Lebens.

Wir alle können einen Beitrag dazu leisten, dass weniger Menschen unter so einem apathischen Leben leiden müssen, und gerade weil wir nicht wissen ob es uns selbst jederzeit erwischen kann, sollten wir uns doch nicht an etwas klammern wenn wir selbst aus dem Leben scheiden was wir nicht mehr brauchen. Den Hinterbliebenen Leben schenken und so für immer selbst weiterleben. Was kann es Größeres geben?

 

17. Dezember: Tobias Hübner und die Mitglieder von „Improkodil“

Nierentransplantation, künstliche Hüfte, schließlich Bypass-OP – Die Geschichte von Tobias Hübner (46) aus Niedersachsen zeigt, dass auch nach einer Herztransplantation noch viele Klinikaufenthalte nötig sein können. Und dennoch ein aktives Leben möglich ist: Außer Südamerika hat Tobias Hübner bereits alle Kontinente bereist.

Ich bin 1971 in Zittau geboren habe dort meine ersten fünf Lebensjahre verbracht, danach bin ich in Dresden und schließlich in Magdeburg aufgewachsen. Nach dem Abitur habe ich 1990 bis 1991 meinen Wehrdienst abgeleistet – eingezogen wurde ich in die Nationale Volksarmee der DDR, entlassen wurde ich aus der Bundeswehr.

Ich studierte nun Chemie, ich war gesund und aktiv.

Beim Fußballspielen ist es dann zuerst aufgefallen, dass etwas mit der Kondition und der „Puste“ nicht stimmt. Und das wurde rasch schlechter.

Am 12. Juni 1993 wurde ich ins Krankenhaus von Merseburg eingeliefert, zunächst mit dem Verdacht auf Lungenentzündung. Dann wurde aber eine Herzmuskelschwäche diagnostiziert, ausgelöst vermutlich durch eine Infektion. Noch dachte ich, das wird schon alles wieder. Aber wurde es nicht. Nach etwa 6 Wochen wurde ich in die Uniklinik Jena verlegt.
Dort kam zum ersten Mal die Transplantation als letzte Möglichkeit für mich ins Spiel.

Zunächst konnte ich stabilisiert werden und durfte nach Hause. Im August bin ich aber zusammengebrochen und wurde nachts mit dem Hubschrauber ins Deutsche Herzzentrum Berlin geflogen, wo mir eine künstliche Kreislaufpumpe eingesetzt werden musste.

Zum Glück gab es schon zwei Wochen später ein passendes Spenderherz für mich. Aber vor der Operation – am 9.9.93 - hatte ich durchaus etwas „Bammel“, das gebe ich zu.

Es ging alles gut, schon Mitte Oktober durfte ich wieder nach Hause. Ich lebte erstmal bei meinen Eltern in Magdeburg, erholte mich, kam zur Ruhe, dachte über meine Zukunft nach. Von der Fortsetzung meines Chemiestudiums wurde mir abgeraten - wegen des Umgangs mit Chemikalien, die meinen immungeschwächten Körper schädigen könnten. Heute würde man da sicher anders drüber denken.

Ich habe also an der FU Berlin Zahnmedizin studiert und 2001 abgeschlossen.
Nach meiner Assistentenzeit habe ich mit einem Partner zusammen eine Praxis in Eutin übernommen.

Leider haben dann meine Nieren versagt, ich musste ein Jahr zur Dialyse und wurde 2007 an der Uniklinik in Lübeck nierentransplantiert.

Cortison, das Transplantierte nehmen müssen, kann langfristig die Knochensubstanz angreifen. Leider war das bei mir der Fall, so dass ich 2010 eine neue Hüfte gebraucht habe, die mir – ebenfalls an der Uniklinik in Lübeck - eingesetzt wurde.

Wegen eines Nierenzellkarzinoms mussten mir die Ärzte in der Uniklinik Göttingen im April 2015 leider eine Niere entnehmen.

Und vergangenes Jahr wurden an meinem neuen Herz mehrere Bypässe gelegt. Professor Falk hat mich operiert, alles ging gut.

Sie sehen schon: Nach einer erfolgreichen Herztransplantation sind nicht alle gesundheitlichen Probleme erledigt. Aber dennoch kann ich sagen, dass es mir gut geht. Ich habe auch nie mit meinem Schicksal gehadert oder dergleichen. Schon mein Vater war Zahnarzt, meine Mutter Biologie- und Chemielehrerin. Vielleicht hat mich das geprägt, ich sehe die Dinge meistens eher wissenschaftlich-nüchtern.

Ich arbeite bereits seit vielen Jahren als angestellter Zahnarzt, in Brake an der Unterweser.
Meine Frau und ich kennen uns seit fast zehn Jahren, 2014 haben wir geheiratet, seit letztem Jahr wohnen wir in unserem eigenen wunderschönen Haus auf dem Land.

Wir reisen auch sehr viel. Südamerika ist der einzige Kontinent, auf dem ich noch nie war. Bolivien, Peru, Ecuador: das wäre der nächste Reisetraum!

Unsere Ausweisträger des Tages sind die Mitglieder von „Improkodil“, eine Berliner Improtheater-Gruppe:

„Seit Anfang des Jahres machen wir Improviationstheater zusammen, das heißt, nichts ist einstudiert, nichts ist geplant. Entsprechend spontan haben wir nach einem Auftritt dieses Foto gemacht. Denn Rajana, eine von uns, arbeitet am DHZB in der Psychosomatik. Sie hat uns von der Aktion erzählt. Und den Ausweis hatten wir alle ohnehin.

Improkodil sagt: Ja!

18. Dezember: Felix Weber und Professor Thomas Eschenhagen

„Ein 27jähriger Mann, dem bewusst ist, dass er vor zweieinhalb Jahren das größte Geschenk seines Lebens erhalten hat“ – so bezeichnet sich Felix Weber aus Dresden selbst. Gemeint ist die lebensrettende Organspende im Juli 2015.

Felix Weber arbeitet ehrenamtlich als Transplantationsbegleiter für die Interessengemeinschaft Organtransplantierter Patienten e.V. (IOP): Seit fast 20 Jahren leistet dieser am DHZB gegründete Selbsthilfeverein einen großen Beitrag zur Unterstützung von Transplantationspatienten und zur Aufklärung der Bevölkerung!

Stellen Sie sich vor, es ist ein warmer, sommerlicher Tag Anfang Juni. Die Sonne wechselt mit weißen Wolken am blauen Himmel. Sie spüren die Wärme des Frühlings auf Ihrer Haut. An einem solchen Tag im Juni 2014 saß ich mit Freunden zusammen, wir aßen und tranken, lachten, hatten Spaß, so wie viele junge Menschen.

Am nächsten Morgen erwachte ich mit Fieber und Husten. Ich hatte mir einen Infekt eingefangen. Es war an einem Samstag, keine Arztpraxis hatte offen. Also verordnete ich mir über das Wochenende Bettruhe, das Fieber ging zurück, der Husten blieb. Ich entschied am Montag, meinen Hausarzt nicht aufzusuchen, da es mir bereits wieder besserging. Den lästigen Husten würde ich schon loswerden.

So vergingen einige Tage, darauf folgten Wochen, schließlich Monate. Ich war fit, ging meinem Studium nach, arbeitete, war wandern. Der Husten blieb. Nicht auffällig, eher ab und zu; hohl und tief.

Es war Mitte Ende September, da nahm meine körperliche Leistungsfähigkeit zunehmend ab. Ich hatte starke Schmerzen im Bauchraum, anhaltende Übelkeit, bekam kaum noch Luft und konnte nur wenige Meter zu Fuß gehen, ohne eine Pause zu machen.

Daraufhin beschloss ich nach Berlin zu meinem betreuenden Kardiologen zu fahren. Denn ich wurde mit einem sehr seltenen Herzfehler geboren, der mir bis dahin allerdings nie Probleme bereitet hatte. Der Kardiologe überwies mich sofort ins DHZB. Die Diagnose: akute Herzschwäche.

Die folgenden Tage und Wochen waren sehr kritisch, unter der sehr guten Betreuung im DHZB wurde ich wieder stabilisiert. Das Herz jedoch blieb schwach und wegen meines angeborenen Herzfehlers (nicht operativ korrigierte CCTGA) gestalteten sich die Situation und der weitere Werdegang schwierig. Diese Ungewissheit über den weiteren Verlauf ist mit bis heute in Erinnerung.
Die einzige Möglichkeit, mein Leben zu retten, bestand nun in einer Herztransplantation. Nach der erfolgreichen HU-Listung wurde ich ins Paulinenkrankenhaus verlegt. Dort wartete ich. Auch hier erfuhr ich eine sehr gute Betreuung von allen Seiten, Rücksicht, Mitgefühl und Verständnis für meine Situation. Ich fühlte mich, dank der Medikamente den Umständen entsprechend gut, bekam regelmäßig Besuch, vertrieb mir die Zeit mit Origami falten, viel Schlaf oder Karten spielen mit anderen Patientinnen und Patienten…

Nach knapp 9 Monaten im Krankenhaus, zwei vorausgegangenen und nicht erfolgreichen Abrufen, wurde ich am 12.07.2015 erfolgreich herztransplantiert.
Die Selbstlosigkeit eines anderen Menschen, über den eigenen Tod hinaus Gutes zu tun und anderen nichts geringeres als das Leben selbst zu ermöglichen, finde ich bewundernswert. Dafür bin ich sehr dankbar!
In der Reha erholte ich mich zunehmend und wurde am 22.09.2015 nach Hause entlassen. Ich fügte mich relativ schnell wieder in meinen Alltag ein. Bekam ein Gefühl für mein (wieder)gewonnenes Leben und nahm im Sommersemester 2016 mein Lehramtsstudium für Geographie und Geschichte wieder auf. Dieses habe ich in diesem Oktober erfolgreich abgeschlossen und werde im kommenden Jahr einer regulären Arbeit nachgehen. Ich treibe Sport, bin normal körperlich belastbar und fühle mich gut.

Nach meiner Transplantation beschloss ich, anderen Menschen, die ebenfalls in einer ähnlichen Situation sind, zu helfen. Aus diesem Grund arbeite ich ehrenamtlich als Transplantationsbegleiter im Rahmen der IOP (Interessengemeinschaft Organtransplantierte Patienten e.V.), berichte über meine Erfahrungen und versuche Wartepatientinnen und -patienten zu motivieren, ihnen Kraft zu geben, auf einem langen, aber sehr lohnenswertem Weg!
Es ist Weihnachtszeit, Zeit der Stille und der Besinnung. Ich sitze in meinem Wohnzimmer, schreibe diesen Text und sehe meine eigene Geschichte in Gedanken vorbeiziehen. Die Geschichte eines 27 Jahre alten jungen Mannes, der mehr als Glück hatte: Nämlich eine professionelle medizinische Versorgung, eine liebevolle Familie und sehr gute Freunde. Ein Mann, dem bewusst ist, dass er das größte Geschenk vor knapp 2 ½ Jahren erhielt.

Unser Ausweisträger des Tages ist Professor Thomas Eschenhagen, Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Hamburg‐Eppendorf und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Zentrums für Herz‐Kreislauf‐Forschung (DZHK).

Das 2011 gegründete DZHK ist ein bundesweiter Forschungsverbund von 28 Einrichtungen (darunter auch das DHZB) an sieben Standorten – mit dem Ziel, neue Forschungsergebnisse möglichst schnell klinisch verfügbar zu machen und damit die Vorsorge, Diagnostik und Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen voranzutreiben.

„Als Wissenschaftler erforsche ich die molekularen Mechanismen von chronischer Herzmuskelschwäche, einer der häufigsten Volkskrankheiten der westlichen Welt.
Als Arzt habe ich jahrelang mit herzkranken Menschen zu tun gehabt.
Als Teil des DZHK-Teams stehe ich für immer bessere Behandlungsmöglichkeiten von Herzkrankheiten. 
Als Mensch habe ich meine Entscheidung aber schon vor Jahrzehnten getroffen.

Ich sage Ja zur Organspende.“

 


19. Dezember: Katrin Laugsch und Juliane Seifert

Eine Erkältung, die nicht weggehen wollte: So fing es im April 2013 an.
Heute wird Katrin Laugsch aus Berlin nach Hause entlassen.
Dazwischen liegt eine Herztransplantation am 17. Oktober dieses Jahres.
Und eine Wartezeit, in der Katrin Laugsch in der Klinik Klavierspielen gelernt hat. Hier ist ihre Geschichte:

Ich bin im August 1974 als waschechte Berlinerin geboren und im Bezirk Tempelhof aufgewachsen. 1994 habe ich Abitur gemacht und dann auf Lehramt Französisch und Deutsch studiert.  Mein darauffolgendes Referendariat habe ich 2006 unterbrochen, weil mein Mann -den ich 2004 geheiratet habe - und ich einen Sohn bekommen haben. Wegen des Berufs meines Mannes sind wir dann für zwei Jahre in die USA gegangen.
Zurück in Berlin habe ich mein Referendariat beendet und mein Lehramt aufgenommen. Wegen der Zeit in den USA habe ich nun auch Englisch unterrichtet.  Eine Erkältung, die nicht weggehen wollte: So fing es im April 2013 an. Und dann ging es leider auch sehr schnell.  Mein Zustand wurde immer schlechter, eine unheilbare Herzschwäche wurde diagnostiziert, im Juli musste mir eine künstliche Herzpumpe, also ein LVAD, implantiert werden. Für die Wartezeit auf ein Spenderorgan hatte die Zeit schon gar nicht mehr gereicht.

Mit dem Gerät habe ich vier Jahre gut gelebt, im März dieses Jahres sollte das Steuergerät außerhalb des Körpers gewechselt werden.
Dabei fiel dem VAD-Techniker Christoph Hörmandinger – für mich der beste Kunstherz-Techniker der Welt! – auf, dass die Pumpleistung eingeschränkt war. Im CT wurde dann eine Thrombose diagnostiziert. Per Herzkatheter musste die verengte Stelle mit einem Stent erweitert werden. Letztendlich führten diese Komplikationen dazu, dass ich am 30. März als hochdringliche Patientin auf die Warteliste für ein Spenderherz gesetzt wurde.  Ich wartete nun also im Paulinenkrankenhaus auf eine Transplantation. Am Anfang habe ich vielleicht noch gehadert mit meinem Schicksal, dass ich nicht voll für mein Kind da sein kann. Aber ich habe mir irgendwann verboten, so darüber zu denken und die Wartezeit so gut wie möglich zu nutzen versucht. So habe ich im Paulinenkrankenhaus, mit einem Keyboard, Kopfhörern, und der Hilfe einer befreundeten Musiklehrerin Klavierspielen gelernt.  Das hat mir bald sehr geholfen: Wenn ich traurig war, habe ich mich ans Piano gesetzt.

Es gab sogar die Idee des Konrektors meiner Schule, Prüfungen für den mittleren Schulabschluss mit mir als Prüferin in der Klink abzuhalten. Lies sich dann aber doch nicht machen – allerdings nicht wegen der Klinik, die waren begeistert von der Idee.

Am 17. Oktober war dann ein Angebot für mich da. Ich hatte Angst vor der Operation. Aber die Freude und die Zuversicht meines Sohnes, der bei mir war, hat mir Kraft gegeben.

Nach der OP ging es ziemlich rasch aufwärts. Ich war ziemlich überrascht, als die Physiotherapeuten am 4 Tag nach der OP meinten, ich solle mich mal an die Bettkante setzen. Und am 5 Tag stand ich wieder auf meinen Beinen, wacklig und gestützt. Aber ich stand!

Schon nach einer Woche wurde ich auf die H3 Station verlegt, nach gut einem Monat ging es in die Reha. Und wenn dieser Text erscheint, komme ich heim. Zu meinem Mann und meinem Sohn, die in diesem Jahr unglaublich viel geleistet haben, auf die ich deshalb sehr stolz und ihnen auch sehr dankbar bin.

Wieder zuhause – was für ein Weihnachtsgeschenk!

Unsere Ausweisträgerin des Tages ist Juliane Seifert aus Berlin. Die Sozialpädagogin ist vielen Fernsehzuschauern als „TV Pädgagogin“ bekannt, unter anderem beim RBB, und bei RTL und VOX mit der eigenen Sendung „Soko Familie“. Zusätzlich ist sie Projektleiterin bei einer Schweizer Zeitung für verschiedene Gesundheitsthemen.

„Eine Freundin hat mir vor wenigen Tagen von der DHZB-Aktion erzählt. Für mich war das ein Ansporn, mir endlich einen Ausweis zu besorgen. Denn darüber nachgedacht habe ich schon seit Jahren.
Mein Leitspruch: ‚Aus der schlechtesten Situation kann die Beste werden’.
Ein Spenderausweis ermöglicht es, einem anderen Menschen diese beste Situation zu verschaffen.“

20. Dezember: Thore Rudloff und Gesa Eberl

Wir bekommen Drillinge - das ist für Doreen Zink und Torsten Rudloff  zuerst ein kleiner Schock, aber dann auch eine große Freude. Thore, Nele, Magnus kommen gesund zur Welt, die Eltern richten sich auf eine anstrengende, aber glückliche Zeit zu fünft ein. Bis es Thore sechs Wochen später plötzlich sehr schlecht geht. Seine Mutter erzählt.

Thore hatte immer sehr gut getrunken, aber an diesem Abend wollte er sein Fläschchen nicht mehr. In der Nacht hat er geweint und geschrien. Das ist bei Säuglingen ja normal, aber wir haben gespürt, dass es ernst ist.

Mein Mann hat Thore ins Krankenhaus gebracht. In der Rettungsstelle war seine Körpertemperatur bereits auf 35,4° gesunken, er kam sofort auf die Intensivstation und wurde noch am selben Tag ins Deutsche Herzzentrum Berlin verlegt. Dort haben uns die Ärzte mitgeteilt, dass Thore an „dilatativer Kardiomyopathie“ leidet, also einer unheilbaren Erschlaffung seines Herzmuskels. Und dass er ein Spenderherz brauchen wird.

Es war der 6. Mai, Muttertag. Der Tag, an dem unser Leben gründlich umgekrempelt wurde.
Thore wurde mit Medikamenten stabilisiert und wir durften ihn noch einmal mit nach Hause nehmen. Aber im Juli wurde er stationär aufgenommen und auf die Warteliste für ein Spenderherz gesetzt.
Am 14. Juli wurde ihm ein Kunstherz implantiert. Aus seiner Brust ragten nun zwei fingerdicke Schläuche, die das Herz mit der kühlschrankgroßen Pumpe außerhalb des Körpers verbinden.  Damit muss man erst mal lernen umzugehen: ‚Tut ihm das weh? Wie kann ich ihn wickeln? Mit ihm kuscheln? ‘

Aber wie man so schön sagt: Man wächst mit seinen Aufgaben. Mein Mann und ich haben denselben Arbeitgeber, ein Familienunternehmen. Ohne jede Diskussion hat der Chef uns freigestellt. Wie lange es auch immer dauern mag. Dafür sind wir bis heute sehr dankbar. Denn wir wissen von anderen Familien: das ist leider keine Selbstverständlichkeit. Einer von uns hat sich zu Hause um Thores Geschwister und den Haushalt gekümmert, der andere war in der Klinik.  So ging das Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Am Anfang war ich noch etwas ungeduldig und dachte, dass doch nun bald mal ein Spenderherz zur Verfügung stehen müsse.
Aber das hat sich gelegt.  Wenn man ständig darüber nachdenkt, wann es endlich soweit sein könnte, macht man sich nur selbst kaputt. Man muss von Tag zu Tag leben.

Im Oktober 2014 hat sich ein Blutgerinnsel gebildet und einen Schlaganfall verursacht. Das hat Thore schwer zurückgeworfen. Er war kurz davor gewesen, Laufen zu können. Damit mussten wir nun wieder ganz von vorne anfangen.  Und wir mussten weiter warten.

Sicherlich gab es auch mal Tage, an denen ich nicht mehr konnte. An denen ich zu meinem Mann gesagt habe: ‚Bitte geht du ins Krankenhaus, ich schaffe das heute einfach nicht.’ Aber das war selten. Eltern, Verwandtschaft, Freunde: wir hatten sehr viel Hilfe. Dennoch frage ich mich manchmal, wie wir das eigentlich durchgestanden haben.

Am 17. April 2015 kam ich spätabends aus dem Badezimmer und hatte einen Anruf vom DHZB auf dem Display. Ich rief natürlich sofort zurück, dachte, wieder ist irgendwas Schlimmes passiert. Aber das Gegenteil war der Fall: Ein Spenderorgan für Thore war da.

Als ich um 1 Uhr nachts in die Klinik kam, saß Thore lachend im Bett und alberte mit einer Krankenschwester herum. ‚Wir machen jetzt hier noch mal richtig Party“, sagte die. Erst gegen 9 Uhr morgens wurde Thore in den OP gebracht. Wir saßen auf der Station und bekamen immer wieder Nachricht, dass alles gut liefe. Bis uns dann am Nachmittag ein Oberarzt mitteilen musste, dass die Transplantation zwar geglückt sei, dass aber das neue Herz zu versagen drohe. Zur Unterstützung seines Kreislaufs musste Thore an eine künstliche Lunge angeschlossen werden. So durften wir ihn dann gegen 22 Uhr zum ersten Mal sehen.

Eine Welt bricht zusammen - das ist eine sehr abgedroschene Formulierung. Aber für diesen Moment trifft sie einfach zu. Es war uns klar, dass Thores Chancen nicht zum Besten standen.
Aber er war von seiner Geburt an ein Kämpfer und blieb es auch. Nach einer Woche konnte die künstliche Lunge wieder abgestellt werden. Nach einer weiteren Woche wurde sein Brustkorb dauerhaft verschlossen. Der Entzug von den starken Narkose-Medikamenten war für ihn und uns noch einmal eine ganz schwere Phase.
18 Tage nach der Transplantation konnte Thore schließlich zurück auf die Normalstation verlegt werden. Auch diesen Kampf hatte er gewonnen. Am 5. Juni 2015, fast zwei Jahre nach seiner Aufnahme, wurden wir aus dem DHZB entlassen. Kurz darauf sind wir alle zusammen für drei Wochen nach Wandlitz in die Reha-Klinik gegangen. Dort haben wir nicht nur Thore weiter aufgepäppelt und trainiert – wir mussten auch lernen, wieder als vollständige Familie zusammen zu leben.

Seit September 2016 geht Thore in die Kita. Die Eingewöhnung war sehr schwer für ihn. Aber er sollte wieder unter Kinder kommen. Mein Kind wurde transplantiert, um zu leben, nicht um unter eine Käseglocke gesteckt zu werden. Natürlich ist er in seiner Entwicklung seinen Geschwistern hinterher, insbesondere durch den Schlaganfall ist er körperlich noch beeinträchtigt. Was ihn auch manchmal sehr frustriert.  Aber dennoch ist Thore ein sehr lebensfrohes, humorvolles, schelmisches Kind.

Wir haben in der langen Zeit im deutschen Herzzentrum Berlin sehr viel Schmerz und Ängste durchstehen müssen. Aber auch wenn sich das vielleicht merkwürdig anhört: wir denken auch gerne zurück an diese Zeit: An den Trost und an die Menschlichkeit, die uns zuteil wurde, vor allem durch die großartigen Pflegekräfte auf der H4 und der Kinder- Intensivstation. Und an die Freundschaften, die wir geschlossen haben.

Wir wünschen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des deutschen Herzzentrums Berlin frohe und besinnliche Weihnachtstage, auch wenn sie vielleicht in der Klinik für ihre Patienten da sein müssen. Wir sind sehr dankbar. Und wir freuen uns aufs Fest!

Unsere Ausweisträgerin des Tages ist Gesa Eberl, Journalistin, TV-Moderatorin und Medientrainerin. Nach vielen Jahren als Autorin, Live-Reporterin, US-Korrespondentin und Redakteurin bei ZDF, Deutsche Welle und RTL Aktuell moderiert Eberl heute bei ntv Nachrichten und die Telebörse.

"Mein Vater starb mit 48 an einem Herzinfarkt. Da war ich sieben Jahre alt. Das wünsche ich niemandem!
Mein Vater hatte keine Chance mehr, leider hatte er auch keinen Organspenderausweis – ich trage meinen jeden Tag bei mir, um im schlimmsten Fall wenigstens einem anderen Menschen das Leben zu retten.
Jeder von uns sollte Organspender sein, damit andere weiterleben können. Es ist so leicht, zu helfen.“

21. Dezember: Lisa-Marie Böhlke und der Berliner DJ und Musiker Ricardo Villalobos

Schwere Herzkrankheit, Herzpumpe, Transplantation. Und dann eine Tumorerkrankung. Die heute 15jährige Lisa-Marie Böhlke hat es durchgestanden. Heute geht es ihr gut. Lisas Vater Mario erzählt Lisas - und auch seine Geschichte.

Die Hebammen meinten schon vor der Geburt, dass mit Lisas Herztönen irgendetwas nicht stimme. Aber als sie dann im August 2002 zur Welt gekommen ist, war alles okay.
10 Jahre lang ist sie völlig normal aufgewachsen, ein agiles junges Mädchen und eine sehr gute Schülerin.

Dann ist sie eines Tages kurzzeitig ohnmächtig geworden. Am Anfang der Pubertät passiere das schon mal, da müsse man sich keine Sorgen machen, meinten die Ärzte zunächst.

Aber damit haben wir uns nicht zufriedengegeben, weil Lisa immer wieder schwindlig wurde. Aber verschiedene Fachärzte haben nichts Ernstes gefunden, darunter auch ein Kardiologe. Ob man damals schon etwas hätte feststellen können, das werden wir wohl nie erfahren.

Anfang Juni 2015 ist es Lisa dann plötzlich sehr schlecht gegangen. Jetzt war schnell klar, dass mit ihrem Herz was nicht stimmt und sie wurde sofort ins DHZB eingewiesen.
Dort haben sie gleich von unheilbarer Herzmuskelschwäche gesprochen. Und von einer Transplantation. Nach ein paar Tagen war die Leistung ihres Herzens auf unter ein Viertel des normalen Wertes gesunken. Lisa kam auf die Warteliste für ein Spenderherz.

Solche Schicksalsschläge treffen immer nur die anderen - denkt man. Und dann liegt da plötzlich dein eigenes Kind. Damit mussten wir umgehen. Wie alle Eltern plötzlich schwer erkrankter Kinder.

Zusammenbruch, Reanimation, künstliches Koma - mehrfach stand es um Lisa in den nächsten Wochen sehr schlecht, doch die Mediziner gaben den Kampf nicht auf. Im Juli musste ihr dann eine Herzpumpe eingesetzt werden, sonst hätte sie nicht überlebt.

Natürlich hatten wir furchtbare Angst um sie. Aber auch wenn sich das bestimmt sehr seltsam anhört: Es gab einen Moment, da bin ich rausgegangen in den „Brunnenhof“ – und wusste plötzlich, dass alles gut wird. Dass Lisa bei uns bleibt.

„Tom“ hat Lisa ihre künstliche Herzpumpe genannt. Sie kam sehr gut mit dem System zurecht, muss ich sagen. Sie hatte die Chance, zuhause warten zu können. Am 27. August, einen Tag vor ihrem Geburtstag, sollte sie entlassen werden.

Aber am 26. war ein Spenderherz für sie da.

Am nächsten Tag um zwei Uhr morgens kam sie auf die Intensivstation.
Und schon drei Wochen später ging’s zur Reha nach Wandlitz.

Im Frühjahr 2016, Lisa war seit zwei Monaten wieder in der Schule, mussten wir leider erneut einen schweren Rückschlag hinnehmen.
Durch einen Virus, hat sich durch eines ihrer Medikamente und begünstigt durch ihr unterdrücktes Immunsystem in ihrem Rachen ein Tumor ausgebildet und sich über die Lymphbahnen bereits ausgeweitet.
Sie musste nun eine Chemotherapie über sich ergehen lassen, mit allen Belastungen und Schmerzen, über einen Zeitraum von 6 Monaten.

Im Januar dieses Jahres war es vorüber. Der Tumor war verschwunden. Aber Lisa war völlig geschwächt, saß im Rollstuhl. Doch wieder hat sie sich zurückgekämpft ins Leben. Bei der Fahrrad-Herzfahrt zugunsten der Kinderkardiologie auf dem Tempelhofer Feld Anfang Juli war sie schon wieder mit acht Kilometern dabei!

Im Gymnasium ist sie wieder in ihre 10 Klasse eingestiegen, trotz der vielen und langen Fehlzeiten. Ich glaube, Lisa ist etwas reifer als andere Mädchen ihres Alters, nach all dem was sie durchmachen musste. Sie will schon alles genau wissen, vor allem in der Klinik.
Aber sonst: Ein normales, fröhliches Mädchen.

Wir wissen, dass der Virus nicht aus Lisa Körper verschwinden wird und sich entsprechend auch wieder ein Tumor bilden könnte. Doch das ist sehr unwahrscheinlich, da bei Lisa regelmäßig Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden.

Lisa, das sagt sie selber, genießt das Leben jetzt viel mehr als früher und weiß es mehr zu schätzen, was es heißt, Freunde und Familie zu haben und alles machen zu können.

Unser Ausweisträger des Tages ist Ricardo Villalobos, geboren in Chile, aufgewachsen in Deutschland.

Ricardo Villalobos ist, das darf unbescheiden gesagt werden, einer der ganz großen DJs, der die ganz großen Clubs mühelos füllt – überall und jederzeit. 
Aber: Ricardo Villalobos ist auch Familienvater. Und sagt ja zur Organspende!



22. Dezember: Emil Möller und das Produktentwicklungsteam von "Biopolar"

Ein junger Mann, ein guter Schüler kurz vor dem Abitur, ein begeisterter Tennisspieler auf hohem Niveau. Das ist Emil Möller, heute 19 Jahre alt, zu Beginn des Sommers 2016. Dann geht alles sehr schnell. Bis zur Herztransplantation im Oktober. Hier erzählt Emil Möller selbst seine Geschichte.

Mein Name ist Emil Möller. Ich wurde am 29.12.1998 geboren. Meine Eltern haben mir erzählt, ich sei schon immer ein ehrgeiziges Kind gewesen. Leider hatte ich das Pech, dass in jungem Alter (mit 3 Jahren) ein Tumor bei mir festgestellt wurde. Ich musste mich einer Chemotherapie unterziehen und habe ihn somit besiegen können. Ich führte dann ein normales Leben.

Ich bin mit sechs Jahren eingeschult worden, ging regelmäßig - seit ich fünf Jahre alt bin - zum Tennistraining und habe mit sechs Jahren Skifahren gelernt. Ich war ein guter Schüler und begeisterter Sportler. Nach Abschluss der sechsten Klasse kam ich aufs Gymnasium. Auch dort lief es gut. Beim Tennis fing ich an in einer Mannschaft zu spielen und zu Turnieren zu fahren. Auch die jährlichen Skiurlaube mit meiner Familie machten mir Spaß. Doch dann kam das Jahr 2016. Es war ca. im Juli (die Sommerferien hatten gerade begonnen) und ich fuhr mit dem Zug zu meiner Oma.

Anfangs ging es mir noch gut, doch mit der Zeit bekam ich hin und wieder Bauchschmerzen. Meine Belastungsfähigkeit nahm stark ab. Nach einer Woche konnte ich nicht mal mehr in 2.Stock laufen. Ich dachte mir nichts dabei und war der Meinung, dass das von alleine wieder weggeht.

Als ich wieder zurück in Berlin war wurden die Schmerzen immer schlimmer und ich konnte nicht mal mehr flach auf dem Rücken liegen. Also ging ich zum Arzt um mir evtl. ein Medikament gegen Bauchschmerzen verschreiben zu lassen. Doch was er mir erzählte, konnte ich nicht glauben: Ich habe Wasser im Bauch- und Brustraum, sodass ich ersticken würde, wenn man nicht sofort etwas unternehme.

Ich kam in die Charité in Berlin-Wedding. Das Gesicht des Oberarztes zu meinen ersten Ultraschallbildern werde ich so schnell nicht mehr vergessen. Sämtliche Untersuchungen ergaben eine Herzleistung von unter 20 Prozent. Nach der Diagnose bekam ich Medikamente zur Unterstützung des Herzens, doch ans nach Hause gehen war nicht zu denken. Nach zwei Wochen wurde mir gesagt, es gäbe keine Möglichkeit zur Heilung meines eigenen Herzens mehr und ich müsste mich, wenn ich weiterleben will, zwischen Kunstherz oder Herztransplantation eines fremden Herzens entscheiden.

Die Tatsache mein altes Leben wieder ansatzweise leben zu können, machte mir diese Entscheidung relativ leicht. Ich wurde ins DHZB überwiesen und auf die Transplantation vorbereitet. Nach drei Wochen Wartezeit, am 10.10.2016 kam der Anruf. Mehrere Ärzte kamen zu mir ins Zimmer und einer sagte: „Es geht jetzt los!“ Das Gefühl ist unbeschreiblich. Es ist eine Mischung aus Aufregung, Angst und unglaublicher Freude.

Die Operation verlief gut und ca. ein Jahr später kann ich behaupten, dass es mir wieder gut geht. Ich kann wieder Tennis spielen, mache mein Abitur fertig und freue mich auf den Skiurlaub. Es war ein schwerer Weg bis hierhin, dennoch bin ich unglaublich froh, ihn gegangen zu sein.

Unsere Ausweisträgerinnen des Tages:  Das Produktentwicklungsteam der Berliner Bio-Tiefkühlmarke „Biopolar“: Diana Brüchert, Anne Lehmann, Theres Jurenz, Anke Frenzel.

Uns geht es um nachhaltige, schonende Landwirtschaft und artgerechte Tierhaltung. Lebensmittel sind für uns Mittel zum Leben. Insofern steht natürlich auch der Mensch im Mittelpunkt. Mit der Biopolar Transparenz-Initiative informieren wir unsere Kunden über die Herkunft und Licht- und Schattenseiten der Produkte. Nur aufgeklärte, mündige Menschen können sich richtig entscheiden.

Als wir von dieser Aktion gehört haben, waren wir gerne bereit mitzumachen. 
Auch wenn wir vier als Organspender zur Verfügung stehen, sollte an dieser Stelle vielleicht mal betont werden, dass man auch „nein“ ankreuzen kann. Wichtig ist, dass jeder darüber nachdenkt, Stellung bezieht und diese transparent macht.

Jeder sollte eine bewusste Entscheidung treffen. Und der Ausweis schafft Klarheit. Dafür stehen wir hier gerne ein!

23. Dezember: Oguzhan Yavuztürk und Birte Glang

Am dritten Advent im vergangenen Jahr wurde Oguzhan Yavuztürk aus Mannheim am DHZB herz-lungentransplantiert. Als einer von nur 7 Patienten bundesweit. Hier ist seine Geschichte:

Am 16. Februar 2016 wird Oguzhan Yavuztürk aus Mannheim im DHZB aufgenommen. Der damals 16jährige leidet an restriktiver Kardiomyopathie, einer – in seinem Fall vermutlich angeborenen – unheilbaren Herzmuskelschwäche. Weil sein krankes Herz das Blut nicht mehr in den Körper pumpen kann, ist auch seine Lunge bereits schwer geschädigt. Seine einzige Chance ist daher eine Doppel-Transplantation beider Organe.

Trotz seines zunehmend kritischen Zustands: Oguzhans Humor ist unerschütterlich. Vor seinen flotten Sprüchen sind auf der Station H4 für angeborene Herzfehler weder Krankenschwester noch Chefarzt sicher. Der 17jährige spielt mit seinen Mitpatienten, - meist kleinen Kindern - und sorgt auch bei den Eltern für ein bisschen Abwechslung im Stationsalltag. Viele Freundschaften entstehen. Und schon kurz nach seiner Aufnahme am DHZB hat Oguzhan seinen Spitznamen weg: Ogi.

Ogi wird sogar ein bisschen berühmt: Das RBB-Fernsehen und „Stern-TV“ berichten über seinen Fall.

Es ist ein Sonntag, der dritte Advent 2016, als die fast zehnmonatige Wartezeit ein Ende findet. Gegen 21 Uhr wird er in den OP gebracht. Seine Familie ist da und auch Daniela Gratz-Greiser ist extra ins DHZB gekommen: Die Erzieherin auf der Station H4 war während seines monatelangen Aufenthalts eine von Ogis engsten Gefährten.

DHZB-Oberarzt Prof. Christoph Knosalla und sein Team nehmen die Doppel-Transplantation vor. Nach 10 Stunden ist der Eingriff geglückt.

Gemeinsam mit den Ärzten, Pflegekräften und Physiotherapeuten arbeitet sich Ogi zurück ins Leben, zuerst auf der Intensivstation, dann auf der Station H3 für Transplantationspatienten. Und langsam kehrt auch sein Humor zurück. „Der ist eben drin im Kopf“, sagt Ogi einmal, „den kann man nicht transplantieren wie ein Organ“.

Dennoch: Die letzten Wochen seines Aufenthalts am DHZB fallen Ogi zunehmend schwer. Der Grund ist klar: „Ich will jetzt endlich hier raus“.

Genau ein Jahr nach seiner Aufnahme im DHZB wird Oguzhan in die Reha-Klinik entlassen.

Seit März ist er wieder bei seiner Familie zu Hause.
Noch ist sein Zustand nicht komplikationslos: Um Abstoßungsreaktionen zu verhindern, muss eine sogenannte ECP durchgeführt werden, eine Art „Blutwäsche“, bei der die Immunabwehr auf möglichst schonende Weise gesenkt wird.

Auch psychisch ging es Ogi in den letzten Wochen nicht immer gut, erzählt er. Unter anderen sei es ihm auch schwergefallen, wieder einen normalen Schlafrhythmus zu finden.

Aber Oguzhan weiß selbst: „Klagen bringen mich nicht weiter – ich sehe das alles als ein Abenteuer, dass ich durchstehen muss und will.

Jetzt steht erstmal ein Nachsorge-Aufenthalt in einer Reha Klinik an, wo es auch um den Austausch mit anderen jugendlichen Patienten geht. Und um die Auswahl einer Berufsausbildung. Erzieher – das wäre ein großer Wunsch gewesen, sagt Ogi. Aber das werde wegen der Infektionsgefahr wohl nichts werden.

Baldmöglichst will Ogi erstmal den Führerschein machen. Es steht also ein bewegtes Jahr 2018 vor ihm. Bei hoffentlich immer besserer Gesundheit im „zweiten Leben“!

Unsere Ausweisträgerin des Tages ist Birte Glang, Juristin, Schauspielerin, Model.

Diesmal mit weihnachtlichem Video! Und dafür ganz herzlichen Dank!

Video...

 

24. Dezember: Marlies Rembold und Dr. med. Axel Rahmel, med. Vorstand der DSO

Marlies Rembold aus Baden-Württemberg lebt seit fast 24 Jahren mit einem Spenderherz und einer Spenderlunge. Sie ist unsere „Rekordhalterin“ aller Patienten mit dieser kombinierten Transplantation. Damit endet unsere Serie anlässlich des 50. Jahrestages der ersten Herztransplantation. Wir danken Marlies Rembold, dass sie uns ihre bewegende Geschichte erzählt hat:

Ich bin 1950 geboren und in Rudersberg nordöstlich von Stuttgart aufgewachsen, wo ich heute noch lebe.

Meine Krankengeschichte begann, als ich 40 Jahre alt war. Meine beiden Töchter waren bereits aus dem Haus, glücklicherweise, muss man heute sagen. Ich wollte damals wieder voll einsteigen ins Berufsleben. Ich war Sekretärin bei einem Sicherheitsunternehmen, mein Chef hatte sich selbstständig gemacht und mich mitgenommen.

Aber dann bin ich gegen Ende des Jahres 1990 krank geworden: das Treppensteigen fiel mir plötzlich schwer, ich litt unter Atemnot und Ödemen in den Beinen. Es wurde eine „pulmonale Hypertonie“ diagnostiziert, also eine starke Erhöhung des Blutdrucks im Lungenkreislauf. Von einer Transplantation wurde damals nicht gesprochen. Es hieß nur, Ich habe wahrscheinlich nicht mehr lange zu leben.

Ein Jahr lang habe ich noch gearbeitet, dann konnte ich nicht mehr. Mein Zustand verschlechterte sich in den kommenden Jahren rapide weiter. Ich brauchte nun ständig Sauerstoff und konnte mich kaum noch bewegen.

Auf Vermittlung des Stuttgarter Chefarztes wurde ich nach Berlin gebracht, und dort von Professor Hetzer untersucht. Er erklärte sich einverstanden, den Eingriff vorzunehmen. Und auch ich entschied mich für das Deutsche Herzzentrum Berlin. Ich war zu dieser Zeit bereits auf der Warteliste für eine Lungentransplantation, später dann wurde klar, dass auch mein Herz unwiderruflich geschädigt sei und nur noch eine kombinierte Herz-Lungentransplantation mich retten könne.

Die letzten zwei Jahre vor der Transplantation habe ich eigentlich nur noch in Stuttgart im Krankenhaus verbracht. Und meine Chancen schwanden.

Ich hatte oft Erstickungsanfälle, es kam auch vor, dass meine Töchter nachts angerufen wurden, weil man befürchtete, ich würde die Nacht nicht überleben.

 In dieser Zeit sind auch meine beiden ersten Enkelkinder zur Welt gekommen. Meine Tochter hat das zweite Baby zu mir ins Bett gelegt. Selber hätte ich es nicht mehr halten können.

 Ich war mir schließlich sicher, dass ich es nicht mehr lange durchhalte. Ich wog noch 38 Kilo, bei einer Körpergröße von 1,67 Meter. Schließlich wollte ich entlassen werden, um wenigstens noch ein paar Tage zu Hause verbringen zu können. Schon in der ersten Nacht in meinem Haus ging es mir aber so schlecht, dass ich mehrfach den Hausarzt rufen musste. Er wollte mich zurück in die Klinik bringen. Aber ich habe um eine letzte Nacht zu Hause gebettelt.

In dieser Nacht, auf den 22. Februar 1994, kam Anruf aus Berlin. Es gab Organe für mich.

„Das schaffst Du nicht mehr“, habe ich noch im Rettungswagen zum Flughafen gedacht. Aber ich habe es geschafft. Um 4:30 Uhr morgens lag ich im OP.

 Erst fünf Tage nach dem Eingriff bin ich aufgewacht. Aber dann ging es aufwärts: Schon nach viereinhalb Wochen wurde ich in die Rehaklinik verlegt. Sicher, dort hatte ich noch mal ein großes Tief, körperlich wie seelisch. Durch die lange Liegezeit waren meine Muskeln ja völlig verkümmert und der Weg zurück ins Leben war schon sehr mühsam.

Aber meine ältere Tochter war zu dieser Zeit schwanger und ich wollte unbedingt wieder zu Hause sein, wenn das Kind da ist. Und das ist mir gelungen!

Mein Chef hatte mich nie aufgegeben. Ich konnte noch nicht mal wieder richtig gehen, da war er da und wollte wissen, wann ich wieder bei ihm anfangen könne. Nur damit kein Missverständnis aufkommt: Das war kein Druck, sondern eine gewaltige Motivation für mich.

Um es kurz zu machen: Ich bin bis heute in seiner Firma berufstätig, wenn auch nur an zwei Tagen pro Woche.

Nun lebe ich bald 24 Jahre mit den beiden Spenderorganen.

Sicherlich gab und gibt es Einschränkungen wie auch gesundheitliche Probleme. Aber im Großen und Ganzen geht es mir heute sehr gut. Ich konnte meine drei Enkelkinder erwachsen werden sehen, als Oma für Sie da sein und darf jetzt sogar auf Urenkel hoffen.

Den Heiligen Abend verbringen wir alle gemeinsam.

Was meine Kinder für mich getan haben, darf und werde ich nie vergessen. In einer Zeit, da ich für sie hätte da sein sollen, mussten und haben sie sich mit ganzer Kraft um mich gekümmert. Ohne diese Unterstützung, auch seelisch, hätte ich es nicht geschafft.

Ich hatte anfangs große Sorge, die Organe könnten mir irgendwie fremd sein. Aber das war nie der Fall. An jedem Jahrestag meiner Transplantation steht in meinem Haus eine Rose. Für einen unbekannten Menschen, der in seinem Tod mein Leben gerettet hat.

 Keine drei Tage hätte ich mehr überlebt, meinte mein Hausarzt.

24 Jahre ist das nun her.

Unser heutiger Ausweisträger des Tages ist Dr. med. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Die DSO ist die nach dem Transplantationsgesetz beauftragte Koordinierungsstelle für die postmortale Organspende in Deutschland: Sie nimmt die Meldungen möglicher Organspender entgegen, koordiniert die »Gemeinschaftsaufgabe Organspende« und sorgt dafür, dass alle notwendigen medizinischen und organisatorischen Schritte vollzogen werden, damit Organe entnommen, an geeignete Patienten vermittelt und transplantiert werden können.

Infotelefon Organspende: 0800 90 40 400, infotelefon@organspende.de  und www.dso.de

„Es gibt viele Gründe, sich mit der Frage einer möglichen Organspende auseinanderzusetzen. Der wichtigste: mit einer Organspende kann man über seinen eigenen  Tod hinaus Patienten, die auf eine Transplantation angewiesen sind, das Leben retten oder ihnen ein Leben mit einer deutlich besseren Lebensqualität schenken.
Eine selbstbestimmte Entscheidung zu Lebzeiten ist darüber hinaus eine zusätzliche Entlastung für die eigenen Angehörigen. Wenn der Wunsch des Verstorbenen in Bezug auf eine Organspende nicht bekannt ist, wird die Familie in einer ohnehin schon belastenden Situation der Trauer und des Verlusts nach dem vermuteten Willen des Verstorbenen gefragt.

Gerade deshalb ist es so wichtig, seine Entscheidung in einem Organspendeausweis oder auch in einer Patientenverfügung zu dokumentieren. Nur so kann man sichergehen, dass der eigene Wille auch umgesetzt wird. Natürlich ist eine Entscheidung für oder gegen Organspende ganz individuell und es kann unterschiedliche Ansichten zu dieser Frage geben.

Aus diesem Grund  sollte man sich umfassend informieren, sich austauschen, darüber sprechen und dann eine fundierte und stabile Entscheidung in dieser bedeutsamen Frage treffen.
Ich selbst habe meinen Organspendeausweis bereits seit meiner Schulzeit. Damals sind wir im Unterricht sehr ausführlich auf das Thema Organspende eingegangen und zwar nicht nur unter medizinischen, sondern auch unter ethischen Gesichtspunkten. Mich hat schon seinerzeit die Chance, anderen Menschen über den eigenen Tod hinaus ein neues Leben zu schenken, überzeugt, einen Organspendeausweis auszufüllen.“