ALCAPA (Fehlabgang der linken Koronararterien aus der Lungenarterie), Bland-White-Garland-Syndrom

Definition

Beim Bland-White-Garland-Syndrom, auch ALCAPA genannt (Anomalous left coronary artery origin from pulmonary artery), handelt es sich um einen Fehlabgang der linken (oder rechten) Koronararterie aus dem Pulmonalarterienstamm (selten auch aus RPA, LPA). Es ist eine sehr seltene angeborene Anomalie (1 pro 300.000 Lebendgeburten), die ohne chirurgische Intervention eine Letalität von 35-80 Prozent im ersten Lebensjahr aufweist.

Pathophysiologie und Klinik

Nach dem postnatalen Abfall des Lungengefäßwiderstandes sinkt der Perfusionsdruck in der fehlabgehenden Koronararterie. Durch eine Flussumkehr in der linken Koronararterie (LCA) entsteht ein 'Coronary-Steal'-Mechanismus, so dass die Perfusion des linken Ventrikels von Kollateralgefäßen aus der rechten Koronararterie (RCA) abhängt.

Die Folgen sind u.a. Myokardischämie bis hin zum Infarkt, linksventrikuläre Dysfunktion mit möglicher sekundären Mitralklappeninsuffizienz und ventrikuläre Herzrhythmusstörungen. Im Regelfall werden Kinder nach dem Abfall des Lungengefäßwiderstandes im Alter von einem bis sechs Monaten symptomatisch.

Es dominieren Zeichen der Myokardischämie und Herzinsuffizienz wie pektanginöse Beschwerden, Kurzatmigkeit, vermehrtes Schwitzen, Trinkschwäche und eine erhöhte Infektanfälligkeit. Die klinische Manifestation und das Ausmaß der Myokardnekrose sind von dem pulmonalen Gefäßwiderstand, der Geschwindigkeit des Ductusverschlusses und von der Ausbildung von koronaren Kollateralen abhängig.

10-15 Prozent der Patienten verfügt über eine gute Kollateralisierung und entwickelt erst im Erwachsenenalter Symptome. Allerdings hat dieses Patientenkollektiv ein erhöhtes Risiko an plötzlichem Herztod zu versterben.

Diagnostik

  • EKG: Zeichen der linksventrikulären Myokardischämie (Pardee-Q, R-Verlust, ST-Streckenveränderungen). 
  • Röntgen Thorax: Kardiomegalie (CTR > 0,5), pulmonale Gefäßstauung.
  • Echokardiographie: Eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfuktion (LVEDD, LVEF, LVFS), Mitralklappeninsuffizienz, Dilatation der rechten Koronararterie, retrograder Blutfluss aus der linken Koronararterie in die Pulmonalarterie (PA), Abgang der LCA aus der Pulmonalarterie. 
  • Herzkatheter: Darstellung der Koronararterien (retrograder Kontrastmittelfluss aus der RCA in die LCA und PA), eingeschränkte Ventrikelfunktion, erhöhter LVEDP.

Indikation

Die Diagnose stellt eine Indikation zur operativen Korrektur dar. Eine hochgradige LV Dilatation kann eine postoperative ECMO Unterstützung erfordern.

Operation

Das Operationsverfahren der Wahl ist die Wiederherstellung einer dualen Koronararterienzirkulation mittels Reimplantation der fehlabgehenden Koronararterie in die Aorta (3,4,5). Über eine mediane Thorakotomie werden nach Angehen an die Herzlungenmaschine die Pulmonalarterien mit Tourniquets an geschlungen. Das Herz nach Abklemmen der Aorta kardioplegisch stillgestellt. Nach Inzision der Pulmonalarterie wird die fehlabgehende Koronararterie identifiziert und als Knopf herausgeschnitten. Anschließend wird das Herzkranzgefäß mobilisiert und direkt in die Aorta ascendens eingesetzt. Die Pulmonalarterie wird mit autologen Perikard rekonstruiert. Eine schwergradige Mitralklappeninsuffizienz (dritten bis vierten Grades) wird im Rahmen der Korrekturoperation mit korrigiert. Eine leicht- und mittelgradige Mitralklappeninsuffizienz kann sich in der Regel nach Regeneration des Myokards zurückbilden.

Mögliche intraoperative Komplikationen

Aufgrund der linksventrikulären Dysfunktion kann die Entwöhnung von der Herzlungenmaschine einen hohen Katecholaminbedarf oder die Implantation eines Linksherz-Unterstützungssystems erfordern. Eine präoperative LVEF ≤ 37% Prozent, LV-FS ≤ 15 Prozent und ein LVEDP ≥ 18 mmHg sind Indikatoren für einen perioperativen Einsatz von mechanischen Kreislaufunterstützungssystemen.

Mögliche Komplikationen im Langzeitverlauf

Die Prognose des Kindes ist nach den heutigen Operationsstandards kurz- und mittelfristig gut. In der Regel erholt sich die Funktion des linken Ventrikels nahezu vollständig und die Patienten erreichen eine normale Belastungsfähigkeit. Eine durch die Dilatation des linken Ventrikels entstandene Mitralklappeninsuffizienz kann im weiteren Verlauf eine Rekonstruktion oder einen Ersatz der Klappe erfordern.

Empfehlung in der Weiterbehandlung

Wir empfehlen die Antibiotika-Prophylaxe zu den bekannten Indikationen bei residualen Defekten oder insbesondere bei weiterbestehender hämodynamisch relevanter Mitralklappeninsuffizienz fortzuführen.