Ziel unserer Forschung

Seit einigen Jahren widmet sich die experimentelle Forschung im DHZC der künstlichen Züchtung komplexer Gewebe, was Tissue Engineering (TE) genannt wird. Ziel des Tissue Engineering ist es, Gewebe und Organe in vitro herzustellen und so neue Therapiemöglichkeiten zu erschließen.

Trotz großer Fortschritte im Bereich des kardiovaskulären TE existieren noch keine Herzklappenprothesen, die sich sowohl in umgebendes Gewebe integrieren, als auch das Potenzial zur Regeneration und zum Mitwachsen haben. Unsere Forscher am DHZC arbeiten daran, eine geeignete humane Zellquelle und ein optimales dreidimensionales Zellträgermaterial in 3D-Klappenform zu entwickeln. Zudem forschen sie an in vitro Kulturbedingungen, die zu einem Wachstum von Gewebe auf den Trägerstrukturen führen. 
 

Welche Zelltypen verwenden wir?

Unsere Forscher verwenden bevorzugt körpereigene (autologe) Zellen, um immunologische Probleme zu vermeiden. Da beim TE von Herzklappen nicht auf Klappenbiopsien lebender Spender zurückgegriffen werden kann, müssen Zellen mit ähnlicher Physiologie gefunden werden.

Das Gewebe der größten oberflächlichen Vene der unteren Extremität (Vena saphena magna) und des Anfangsteils der Aorta sowie Knochenmark sind mögliche Zellquellen. Darüber hinaus wurden verschiedene pränatale und neonatale Zellquellen auf ihre Eignung analysiert, inklusive der Nabelschnur. Diesen Ansatz verfolgt unserer Arbeitsgruppe. Die Nabelschnur hat den Vorteil, dass sie ein nach der Geburt überschüssiges Gewebe ist, das bei Verwendung keine ethischen Bedenken auslöst. Für die Gewinnung autologer Zellen ist kein weiterer Eingriff beim Patienten nötig. Unsere Forscher konnten zeigen, dass sich die Gefäßwandzellen der humanen Nabelschnur für das Tissue Engineering von Herzklappen und Gefäßen eignen könnten. Bei den Zellen der Nabelschnur handelt es sich nicht um Stammzellen, sondern um ausdifferenzierte Zellen, die in vergleichbarer Form auch auf der Herzklappe zu finden sind.

Die Entwicklung des Trägermaterials

Eine Herausforderung bei der Herstellung von TE-Herzklappen besteht darin, Trägermaterialien (Scaffolds) zu entwickeln, die sich zu Klappen formen lassen und auf denen Zellen wachsen können. Gegenwärtig untersuchen unsere Forscher bei diesem "klassischen" Tissue Engineering verschiedene Materialen auf ihre Eignung: natürliche, z.B. Kollagen oder Fibrin, synthetische, z.B. resorbierbare Polymere, und stabile Materialien. Der Fokus liegt auf resorbierbaren Polymeren als Gerüststrukturen, aber auch Xenografts werden verwendet. Die Polymere werden aufgearbeitet, in unserem Labor mit Zellen besiedelt und untersucht. Die Herausforderung liegt in der exakten Darstellung eines dreidimensionalen Gerüsts. Dafür werden Verfahren aus der Textilindustrie und der additiven Fertigung ("3D-printing") verwendet.

Jedes der Materialien hat Vor- und Nachteile bezüglich der besonderen Anforderungen, die bei Herzklappenscaffolds erfüllt sein müssen. Gerade Ersatzklappen für das linksseitige Herz sind extremen Druckbelastungen und Durchflussbedingungen ausgesetzt. In einem zur Zeit stattfindenden Forschungsprojekt wollen wir deshalb neue Herstellungsverfahren für eine Herzklappenform auf der Basis von resorbierbarem Trägermaterial entwickeln. Das Material muss optimal an den Empfänger angepasst sein, zeitlich gesteuert ohne toxische Auswirkungen vollständig degradiert werden und gleichzeitig durch körpereigene extrazelluläre Matrixstrukturen ersetzt werden ("Remodeling").

Entwicklung und Herstellung von Bioreaktoren

Um in vitro ein funktionales Gewebe-Konstrukt herzustellen, muss die Kultivierung von Zellen auf dem Träger unter Bedingungen erfolgen, die denen der nativen Umgebung ähneln. Dabei spielen u.a. die mechanischen Kräfte des durchfließenden Mediums (Flussraten, Druckpulse) eine wichtige Rolle. In unserem Labor wurden im Jahr 2000 erste einfache Bioreaktoren zur Herstellung von humanen Herzklappen, Gefäßen und Patches mit TE entwickelt, die immer weiter modifiziert und optimiert wurden. Derzeitig werden ein Bioreaktorsystem zur Expansion adhärenter Zellen und ein sogenannter "Puls-Bioreaktor" zur Konditionierung der zellenbesiedelten Herzklappengerüste verwendet.